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Wie geht es weiter zwischen Israel und Iran?

Nach dem Waffenstillstand: Nahost zwischen Hoffnung und Skepsis

Das hat überrascht: US-Präsident Trump kündigte in der Nacht zu Dienstag einen Waffenstillstand in Nahost an. Mittlerweile ist er bestätigt. Bejubelt wird er trotzdem nicht, im Gegenteil.

Erstellt: 24.06.2025
Aktualisiert: 24.06.2025
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Von Andrea Krogmann und Katrin Gänsler (KNA)

Hält der Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran? Diesen kündigte US-Präsident Donald Trump in der Nacht zu Dienstag an. Zunächst setzte Teheran jedoch den Beschuss auf Israel fort; im Süden des Landes wurden dabei vier Menschen getötet.

Jetzt ist das Abkommen bestätigt. Doch in Jerusalem sind die Reaktionen gespalten. „Was bringt mir ein Waffenstillstand – damit sie noch mal aufwachen?“, fragt sich Schlomo Nissan, Gemüsehändler auf dem jüdischen Markt Machane Jehuda. Die Einkaufszone gilt als Hochburg des Likud, der rechten Partei des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu. Über den Waffenstillstand und den Iran wird am Dienstagmorgen viel debattiert.

Israel sei „zu spät erwacht“ angesichts der Gefahr aus dem Iran, findet der in der Türkei geborene Jude Nissan. Der Schlag gegen den Iran hätte schon vor Jahren stattfinden müssen, „aber niemand hat uns machen lassen“. Für den Gemüseverkäufer ist klar, dass Israel auch jetzt keine eigenständigen Entscheidungen treffe. „Trump entscheidet.“

Am Stand nebenan verkauft Yossi Mizrachi Nüsse, Backzutaten und Trockenobst. Grundsätzlich seien die israelischen Angriffe auf den Iran notwendig. Trotzdem hofft der Händler, dass die Waffenruhe hält und der Iran seine Waffenproduktion stoppe. „Wir träumen von einem neuen Nahen Osten. Nach all dem Krieg und dem Töten in unserer ganzen Region ist es genug. Jeder versteht, dass der Nahe Osten von Frieden und nicht von Waffen regiert werden muss.“

Yoram, der seinen Nachnamen nicht nennen will, widerspricht. Inmitten eines heftigen Krieges „innerhalb von Sekunden“ zu einem Waffenstillstand zu kommen, sei nicht akzeptabel. Skepsis herrscht auch in der Politik. So schrieb der rechtsgerichtete Avigdor Lieberman von Israel Beiteinu (Unser Haus Israel) auf der Plattform X: „Dreieinhalb Stunden, nachdem der US-Präsident einen Waffenstillstand verkündet hatte, feuerte der Iran auf Nordisrael. Wir müssen sofort reagieren.“

Todesopfer auf beiden Seiten

Auf dem Markt Machane Jehuda betont Yoram, Israel wolle Frieden mit allen Nachbarn in der Region. Frieden mit dem „extremistischen schiitischen Regime“ hält der irakischstämmige Marktmann für unmöglich. Mitleid habe er mit den Millionen Iranern, „die Frieden wollen, aber die sich nicht erheben, weil sie Angst haben umgebracht zu werden“.

Dass es für Sicherheit und Stabilität in Nahost mehr braucht als einen Waffenstillstand, das betonte am Dienstagmorgen auch der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani im Deutschlandfunk. Im Iran sei eine Demokratisierung notwendig.

Mit einigen Luftschlägen sei diese nicht zu erreichen, sagte der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Notwendig sei Druck – auch ökonomisch – wie Isolierung. Im Inneren sei dieser bereits stark. „Das Regime ist morsch bis auf die Knochen.“ Israel hingegen bekomme langfristig nur Sicherheit, „wenn es Frieden schließt mit seinen Nachbarn und es zu irgendeiner Art von Frieden mit den Palästinensern kommt“.

Zurück in Israel. Trotz Skepsis gibt der Waffenstillstand auch Hoffnung. „Ich hoffe, dass ein neues Kapitel aufgeschlagen wird in dieser Region“, sagt Nikodemus Schnabel der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er ist Abt der deutschsprachigen Benediktiner auf dem Jerusalemer Zionsberg. Für Schnabel stehen die Menschen in Nahost im Mittelpunkt: Es müsse um die Frage gehen, wie es ihnen besser gehe, anstatt Stärke demonstrieren zu wollen.

Israel, der Iran und die USA hätten in den vergangenen zwölf Tagen Stärke zeigen wollen, die Folgen: Todesopfer auf israelischer und iranischer Seite, darunter unbeteiligte Zivilisten. Milliarden Euro seien dafür verpulvert und „Biografien zerstört worden“, kritisiert Schnabel. Auch der Blick nach Syrien, in den Libanon, nach Gaza und die Westbank zeige unfassbares Leid.

Hoffnung gibt der Waffenstillstand auch dem Forum für Geiseln und vermisste Familien. Es vertritt die Angehörigen der am 7. Oktober 2023 von der Hamas Entführten. „Wer einen Waffenstillstand mit dem Iran erreichen kann, kann auch den Krieg in Gaza beenden“, heißt es in einer Erklärung. Nun sei die israelische Regierung verpflichtet, die Gelegenheit „entschlossen zu ergreifen“, um die Freilassung aller verbliebenen 50 Geiseln zu bewirken.

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