LKW mit Hilfsgütern für Gaza
Organisationen sprechen vom Einsatz von Nahrung als Waffe

Scharfe Kritik an Israels Gaza-Hilfe

Jerusalem  ‐ Israel lässt Lebensmittel im Gazastreifen derzeit nur an vier Punkten ausgeben. Regelmäßig gibt es Berichte von Todesfällen im Umfeld der Ausgabestellen. Laut internationalen Hilfsorganisationen ist es die Wahl zwischen verhungern und erschossen werden.

Erstellt: 04.07.2025
Aktualisiert: 04.07.2025
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Von Andrea Krogmann (KNA)

An Lebensmittel zu kommen, ist im Gazastreifen zu einem lebensbedrohlichen Unterfangen geworden. „Heute stehen die Palästinenser in Gaza vor einer unmöglichen Wahl: hungern oder riskieren, erschossen zu werden, während sie verzweifelt versuchen, Lebensmittel für ihre Familien zu beschaffen“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von über 160 Menschenrechts- und Hilfsorganisationen. Sie beschuldigen Israel, das humanitäre System im Gazastreifen systematisch zu zerstören – und klagen die internationale Gemeinschaft an.

Zu wenig, zu unerreichbar, zu gefährlich: Die Organisationen zeichnen ein düsteres Bild der humanitären Lage in dem abgeriegelten Kriegsgebiet, in dem rund zwei Millionen Palästinenser leben. Im Zentrum der Kritik stehen die umstrittene, von Israel und den USA gestützte „Gaza Humanitarian Foundation“ (GHF) sowie die israelische Einfuhrblockade für den Gazastreifen. Der Vorwurf: Israelische Soldaten und angeheuerte Sicherheitsdienste zielten regelmäßig auf hilfesuchende Zivilisten.

Faktisch hat Israel fast alle bisherigen Hilfsmechanismen eingestellt, zugunsten der GHF. Die Nichtregierungsorganisationen sprechen von einer „tödlichen, vom Militär kontrollierten Alternative“. Seitdem seien hungernde, geschwächte Zivilisten gezwungen, mehrstündige Wege durch Kriegsgebiet auf sich zu nehmen, um zu den eingezäunten Verteilstellen zu gelangen. Es ist von chaotischen Szenen und einem Kampf um die begrenzten Vorräte die Rede. Wiederholt sei es zu Massakern gekommen.

Die Stellungnahme sieht dahinter eine Absicht. Israel wolle bewusst einen „Kreislauf aus Verzweiflung, Gefahr und Tod“ aufrechterhalten. Gab es während des Waffenstillstands rund 400 Stellen, an denen die unter dem Krieg leidende palästinensische Bevölkerung humanitäre Hilfe erhalten konnte, so ersetzte Israel sie durch vier.

Organisationen: „Dies ist keine humanitäre Reaktion“

Das fatale Resultat aus Sicht der Organisationen: „In weniger als vier Wochen wurden mehr als 500 Palästinenser getötet und fast 4.000 verletzt, nur weil sie versuchten, Zugang zu Lebensmitteln zu erhalten oder diese zu verteilen.“ Die vergangenen Wochen zählten damit zu den „tödlichsten und gewalttätigsten“ seit Beginn des Gaza-Kriegs.

Neben Nahrungsmitteln fehle es an sauberem Wasser, Treibstoff, sanitären Einrichtungen und Strom. „Seit 20 Monaten sind mehr als zwei Millionen Menschen unerbittlichen Bombardements, dem Einsatz von Lebensmitteln, Wasser und anderen Hilfsgütern als Waffe, wiederholten Vertreibungen und systematischer Entmenschlichung ausgesetzt – und das alles unter den Augen der internationalen Gemeinschaft“, so die Stellungnahme.

Diese Normalisierung des Leidens dürfe nicht hingenommen werden. Die Unterzeichner verlangen von Israel, die Verpflichtungen aus dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten einzuhalten, einschließlich des Verbots von Zwangsvertreibungen, willkürlichen Angriffen und der Behinderung humanitärer Hilfe. Zu den konkreten Forderungen gehört auch die Wiederherstellung eines UN-geleiteten Mechanismus für humanitäre Hilfe.

Hinter den Appell stellten sich 169 Organisationen, darunter Amnesty International, Caritas Deutschland, Caritas Internationalis, Pax Christi, Ärzte ohne Grenzen und Oxfam, aber auch mehrere israelische Menschenrechtsorganisationen.

GHF wies Berichte über Tote und Verletzte an den Ausgabestellen wiederholt als falsch zurück. Nach Angaben der Stiftung wurden seit Beginn ihrer Operation rund 53 Millionen Mahlzeiten im Gazastreifen verteilt.

Die israelische Armee teilte unterdessen am Montagabend mit, eines der vier Verteilzentren werde vorübergehend geschlossen. Der Bau eines neuen sei geplant. Man habe die Zugangswege neu organisiert. Das Militär sei in der Nähe der Verteilstellen aktiv, „um zu verhindern, dass die Hilfsgüter in die Hände der Terrororganisation Hamas gelangen“.

Beitragsbild: Zwei LKW mit Hilfsgütern des Welternährungsprogramms (World Food Programm WFP), an der Straße zum Grenzübergang Kerem Schalom zum Gazastreifen, auf der Höhe von Magen (Israel) am 4. Juni 2025.

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