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Nach deutscher Enthaltung

Misereor: Rückschlag für EU-Lieferkettengesetz ist moralische Bankrotterklärung

Brüssel/Aachen ‐ Die belgische Ratspräsidentschaft sah trotz deutscher Enthaltung Hoffnung auf eine Mehrheit – aber die gab es nun doch nicht. Ob die Richtlinie zum Schutz von Menschen- und Umweltrechten je zustande kommt, ist offen.

Erstellt: 28.02.2024
Aktualisiert: 28.02.2024
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Das europäische Lieferkettengesetz ist in der finalen Abstimmung des Rats der Europäischen Union gescheitert. Der Entwurf einer Richtlinie, die den Schutz von Menschenrechts- und Umweltstandards bei nichteuropäischen Zulieferfirmen sicherstellen soll, fand im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten nicht die erforderliche Mehrheit, wie die belgische Ratspräsidentschaft am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Mitentscheidend war die Enthaltung Deutschlands auf Druck des Koalitionspartners FDP, nachdem sich der Rat zuvor im Grundsatz für den Richtlinienentwurf ausgesprochen hatte.

Belgien, das derzeit den Vorsitz im Rat der EU-Regierungen führt, kündigte Beratungen mit dem Parlament an. Man werde prüfen, ob es möglich sei, auf Bedenken einzelner Mitgliedstaaten einzugehen. Wenn der Gesetzesvorschlag neu zwischen Rat, EU-Parlament und Kommission ausgehandelt werden muss, ist indessen unwahrscheinlich, dass die Richtlinie vor den Europawahlen verabschiedet werden kann.

Die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Binnenmarkt- und Verbauscherschutz-Ausschusses, sprach von einem „Affront gegen das Europaparlament“. Man sei dem Rat in den Verhandlungen bereits weit entgegengekommen. Sie gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Aufgabe, für eine Mehrheit im Rat zu sorgen.

Deutsche Entwicklungs- und Umweltverbände reagierten enttäuscht. Das katholische Hilfswerk Misereor nannte die Ablehnung des aktuellen Vorschlags eine „moralische Bankrotterklärung“. Schuld sei Scholz, der sich geweigert habe, dem Gesetz gemäß Koalitionsvertrag und kraft Richtlinienkompetenz zuzustimmen. Damit ignoriere er Appelle des UN-Menschenrechtskommissars, zahlreicher Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften sowie der Grünen und der SPD und beuge sich stattdessen der FDP und Wirtschaftsverbänden.

Scharfe Kritik aus der Zivilgesellschaft

„Für Profit und Wachstum europäischer Konzerne nimmt der Rat weiterhin Ausbeutung und Umweltzerstörung in Kauf und verweigert Betroffenen die Chance auf Schadensersatz. Europäische Werte gelten offenbar nur dann, wenn sie uns nichts kosten“, erklärte Armin Paasch, Menschenrechtsexperte bei Misereor.

Auch die „Initiative Lieferkettengesetz“, ein Bündnis von Menschenrechtsgruppen, Gewerkschaften, Entwicklungs- und Umweltorganisationen, äußerten Kritik am Bundeskanzler. Scholz lasse sich „bei einem der wichtigsten Menschenrechts- und Umweltvorhaben der EU von der FDP regelrecht vorführen“, so die Initiative mit Sitz in Berlin. Die Bundesregierung habe sich als verlässlicher Partner in der EU diskreditiert und Deutschlands internationale Glaubwürdigkeit beim Thema Menschenrechte beschädigt.

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„Olaf Scholz missachtet nicht nur den Koalitionsvertrag und ignoriert unzählige Stimmen aus Wirtschaft, Wissenschaft und den Vereinten Nationen, sondern handelt auch klar gegen den Willen der Mehrheit der eigenen Bevölkerung“, so das Bündnis. Zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland seien für das Lieferkettengesetz.

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), nannte das Scheitern im Rat „eine gute Nachricht“. Allerdings habe die Blockade der FDP Deutschland erneut im Rat isoliert. Die Bundesregierung hätte vor der Einigung auf den Entwurf mit einer abgestimmten Position intervenieren müssen. „Deutschlands Ansehen und Ruf als verlässlicher Partner hat dadurch massiv gelitten“, so Caspary.

Zufriedenheit bekundete auch der Zusammenschluss „Die Familienunternehmer“ in Berlin. Mit der Ablehnung dieser „schlechten Version“ einer Richtlinie sei nun der Weg frei, um eine praktikablere und effektivere Regulierung zu erarbeiten. Deren Kern müsse eine Zertifizierung von Zulieferern aus dem Nicht-EU-Ausland sei, die es europäischen Firmen ermögliche, Produkte von dort ohne Angst vor Klagen zu beziehen.

KNA

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