Tut y Tam Projekt in München und Kyiv
Gemeinsames Projekt der Caritas in München und Kiew

Wie „Tut i tam“ traumatisierte Kinder in der Ukraine und Deutschland begleitet

20 Monate dauert der Krieg in der Ukraine schon. Die Folge: zerstörte Häuser, gefallene Soldaten – und eine große Zahl traumatisierter Kinder. Ein Partnerschaftsprojekt von Caritas München und Kiew will ihnen helfen.

Erstellt: 24.11.2023
Aktualisiert: 24.11.2023
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Von Barbara Just (KNA)

Eineinhalb Tage war Pater Roman Syrotych unterwegs. Mit Zug, Bus, Flieger und U-Bahn ist der Direktor der Caritas Kiew von dort in die Partnerstadt München gereist. Am Donnerstag sitzt der 43-Jährige nun im Pfarrsaal des Dominikus-Zentrums und erzählt ruhig bei einer Pressekonferenz der Caritas München von zu Hause. Eine „sichere Stadt“ sei Kiew. Doch die Ukrainer wüssten seit dem 24. Februar 2022, der Krieg könne sie überall im Land einholen. Wirklich gut gehe es ihm nicht, räumt Syrotych ein. Jedes Mal, wenn eine Tür knalle, schrecke er hoch. Die Lüftung in Räumen schalte er nicht mehr ein – zu sehr erinnere ihn das Geräusch an gefahrbringende Flugzeuge.

Schon seit der Besetzung der Krim und den militärischen Konflikten im Osten des Landes gab es viele, die in den Westteil des Landes flüchteten. Seit dem Angriffskrieg der Russen waren noch mehr auf der Flucht, selbst aus Kiew wollten die Leute raus. Nach zwei Wochen hätten nicht mehr vier Millionen Menschen dort gelebt, sondern nur noch eine Million, erzählt der Pater. Inzwischen seien es wieder mehr. Dazu gekommen seien 400.000 Binnenflüchtlinge, davon 65.000 Kinder. Um letztere und um Mädchen und Jungen, die in den Städten geblieben sind, die von Russen besetzt und von ukrainischen Truppen zurückerobert worden sind, geht es ihm und seinen Mitarbeitern.

Weitere Angebote sollen folgen

Diese Kinder hätten Furchtbares mitgemacht, berichtet Olena Pokotyuk. Sie ist Leiterin des Projekts „Children friendly space“. Es bietet den Betroffenen in Kiew sichere Räume, wo sie wieder Kind sein können. Denn viele hätten das inzwischen verlernt, seien traumatisiert von dem, was sie in diesem Krieg hätten erleben müssen, so Pokotyuk. Ihre Eltern wurden demnach gequält oder gar umgebracht, Mädchen von russischen Soldaten vergewaltigt. Pokotyuk sagt, die Zahl der Suizide bei Jugendlichen habe zugenommen.

Das ist der Moment, in dem Darya Dmytruk beim Übersetzen vom Ukrainischen ins Deutsche kurz um Fassung ringt. Die bei der Münchner Caritas angestellte Sozialpädagogin kam schon vor Jahren mit ihrer Familie aus Donezk nach München. Für die Zusammenarbeit mit Caritas Kiew beim neuen internationalen Kooperationsprojekt „Tut i tam“ (Ukrainisch für „Hier und dort“) ist sie federführend von der Münchner Seite verantwortlich. Seit September bietet der katholische Wohlfahrtsverband erste Spiel- und Sprachangebote für aus der Ukraine geflüchtete Kinder, um ihre Traumata zu verarbeiten. Weitere sollen folgen.

Ein kindgerechtes Leben zurückgeben

Dazu kommt nun die Kooperation mit den Partnern in Kiew. Da sollen vermehrt im Umland mobile Einheiten aufgebaut werden, um auch die Mädchen und Jungen dort zu erreichen. Von geschätzt Hunderttausenden spricht Pater Roman, die in den fünf vom Wohlfahrtsverband betreuten Regionen betroffen sein dürften: „Wir wollen ihnen ein kindgerechtes Leben zurückgeben.“ Musiktherapien, Malen und Basteln stehen auf dem Programm. Armbändchen in den Farben Blau und Gelb hat er mitgebracht, dazu kleine Stoffpüppchen, die in solchen Stunden entstanden sind. Die Kinder verkaufen die Sachen und spenden den Erlös für humanitäre Zwecke.

Pokotyuk greift für ihre Arbeit auf hauptamtliche Fachkräfte, darunter Psychologen, Sozialpädagogen und Musiktherapeuten, zurück. Dazu kommt eine große Zahl von Ehrenamtlichen, die meist selbst Binnenflüchtlinge sind. Diese wollten sich einbringen, und verarbeiteten auf diese Weise selbst das erlebte, so die Projektleiterin.

Gesucht seien aber besonderes Psychotherapeuten, die Erfahrungen hätten mit der Arbeit mit vom Krieg traumatisierten Kindern, sagt Pokotyuk. Mit Caritas Deutschland gebe es dazu bereits einen Erfahrungsaustausch; mit der Münchner Kooperation solle dieser noch verstärkt werden. Caritas München will die Kollegen bei ihrer Arbeit gezielt unterstützen, betont Geschäftsleiter Harald Bachmeier. Bei der dieser Tage stattfindenden Messe „München global – solidarisch – aktiv“ wollen sie deshalb ihr Projekt vorstellen. Über weitere Sponsoren würden sie sich freuen, um dem Vorhaben langfristig eine Perspektive geben zu können.

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