Der Amazonas und zahlreiche Seitenarme mäandern durch den Regenwald
Kokainplantagen und Landspekulation im größten Ökosystem

Auch der Drogenhandel bedroht den Regenwald

Bogotá D.C. ‐ Die Vereinten Nationen schlagen Alarm: Wachsende Produktion und Vertrieb von Drogen bedrohen das Ökosystem Amazonas. Kriminelle Gangs bauen hier nicht nur die Pflanzen für ihren Stoff an. Sie wittern das ganz große Geschäft.

Erstellt: 12.07.2023
Aktualisiert: 06.07.2023
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Von Tobias Käufer (KNA)

Bislang gelten der illegale Bergbau und eine ständig wachsende Agrar-Industrie als Hauptverursacher für die wachsende Abholzung des Regenwaldes in Südamerika. Doch nun schlagen die Vereinten Nationen Alarm und lenken den Blick auf einen weiteren Faktor, der für die Zerstörung des für das Klima so wichtigen Ökosystems mitverantwortlich ist: den Drogenanbau.

Ein Ende Juni veröffentlichter Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zeigt den Anstieg des weltweiten Drogenkonsums auf. Und erstmals bekam das Thema „Narco-Abholzung“ ein eigenes Kapitel. Laut UNODC basiert der Bericht auf offiziellen Statistiken sowie 25 Interviews mit Experten, Behörden, Verbänden und Bewohnern der Amazonasregion in Bolivien, Peru, Kolumbien und Brasilien. In allen Ländern wurde zuletzt über eine verstärkte Aktivität des Drogenanbaus, des illegalen Bergbaus und der Holzfällerei berichtet.

„Die illegale Drogenindustrie im Amazonasbecken weitet ihre kriminellen Aktivitäten auf andere Bereiche aus“, heißt es in dem Bericht, aus dem die Zeitung „O Globo“ jetzt zitierte. Illegaler Holzschlag, illegaler Bergbau, illegale Landbesetzungen und der Handel mit Wildtieren schädigten die Umwelt des größten Regenwaldes der Welt. Indigene Völker und andere Minderheiten litten unter den Folgen dieser kriminellen Entwicklung, darunter Vertreibung, Quecksilbervergiftung und Gewaltanwendung. Umweltschützer würden oft gezielt von Menschenhändlern und bewaffneten Gruppen angegriffen, so der Bericht weiter.

„Narco-Abholzung“

Detailliert geht der Bericht auch auf die über 900 Drogenrouten ein, die das Amazonasgebiet verlassen. In Brasilien würden die Vertriebswege über die Hauptrouten der Provinzen Acre, Amazonas, Rondonia, Roraima und Mato Grosso verlaufen. In dieser Region gebe es zahlreiche Marihuana- und Kokainplantagen. Aus Bolivien führen 60 Prozent aller Kokainhandelsrouten in Länder in Nord- und Südamerika, 20 Prozent nach Europa und 11 Prozent nach Asien. Den Erkenntnissen der Ermittler zufolge werde das in Kolumbien hergestellte Kokain in der Regel nach Nordamerika und in geringerem Maße nach Westeuropa exportiert, entweder direkt von den Pazifikhäfen oder den Karibikküsten oder über Brasilien und Venezuela nach Norden in die Karibik und nach Mittelamerika. „Peru und Bolivien hingegen gelten als die üblichen Kokainquellen für die Binnenmärkte in Brasilien und Westeuropa“, heißt es in der Studie.

Neben Drogenhändlern, organisierten kriminellen Gruppen und anderen verbrecherischen Akteuren gebe es auch politische und wirtschaftliche Hintermänner, die illegale Aktivitäten erleichtern und finanzieren. Auch Zwischenhändler seien beteiligt.

Zwar seien die direkten Auswirkungen des Koka- und Marihuana-Anbaus nicht so groß, dafür hätten die kriminellen Aktivitäten aber einen viel größeren indirekten Effekt. So stelle die „Narco-Abholzung“ als Folge von Geldwäsche durch den Handel mit Landspekulation und Landwirtschaft eine wachsende Gefahr für den größten Tropenwald der Welt dar, so die UN-Institution.

Das Problem wird größer

Der Direktor für Umweltschutz der brasilianischen Behörde Ibama, Jair Schmitt, sagte „O Globo“, dass die Drogenschmugglerbanden ihre Geschäfte auf die Ausbeutung von „Naturgütern mit höherem Mehrwert“ wie wertvolle Mineralien und Holz ausrichteten. Das Kapital dafür stamme unter anderem aus den Drogengeschäften.

Rodrigo Chagas, Forscher an der Bundesuniversität von Roraima und dem brasilianischen Forum für öffentliche Sicherheit, erklärte, den Drogenhandel im Amazonasgebiet habe es schon immer gegeben. Aber die Verbindung mit Umweltverbrechen habe mit dem Eintritt der großen Banden aus Rio de Janeiro und Sao Paulo begonnen, die sogar mit internationalen Gruppen zusammenarbeiteten. Er spricht von einer sehr besorgniserregenden Entwicklung.

KNA

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