Papst räumt in Estland Versagen der Kirche ein
Papst ‐ Papst Franziskus hat in Estland institutionelles Versagen der Kirchen eingeräumt. Viele Jugendliche sprächen offen aus, dass Kirchenvertreter kein Gehör mehr fänden und ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten - etwa beim Thema Missbrauch.
Aktualisiert: 19.04.2024
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Papst Franziskus hat in Estland institutionelles Versagen der Kirchen eingeräumt. Viele Jugendliche sprächen offen aus, dass Kirchenvertreter kein Gehör mehr fänden und ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten, sagte er am Dienstag bei einem ökumenischen Jugendtreffen in der lutherischen Karlskirche von Tallinn. Auch seien sie empört über Missbrauchs- und Finanzskandale. Die Deutsche Bischofskonferenz etwa stellte an diesem Dienstag die Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche vor. Darin werden unter anderem Probleme bei der Sexualmoral und einem Klerikalismus benannt.
Franziskus sagte, allzu oft hätten sich die Kirchen in sich verschlossen und zu wenig zugehört. Ihnen wie auch „allen institutionellen Religionsgemeinschaften“ falle es oft leichter zu reden, als sich anfragen und belehren zu lassen. Viele junge Menschen erwarteten inzwischen nichts mehr von der Kirche; sie sei als Gesprächspartner für ihr Leben bedeutungslos geworden.
Jugendliche wendeten sich auch ab, weil sie in der Kirche Kompetenz und Gespür für ihre Anliegen vermissten oder ihnen die Möglichkeit aktiver Teilhabe vorenthalten werde, sagte Franziskus. Diese Fragen wolle die im Oktober tagende Bischofssynode im Vatikan angehen. Als Grund für den Kontaktverlust der Kirche zur Jugend nannte Franziskus auch fehlende Authentizität der Seelsorger. Junge Menschen suchten einen Begleiter, der keine Angst vor der eigenen Schwäche habe.
Die katholische Kirche zählt unter den 1,3 Millionen Einwohnern rund 6.500 Mitglieder. Das sind 0,5 Prozent der Bevölkerung.
Die estnische Gesellschaft forderte Franziskus auf, die Erinnerung an den Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit lebendig zu halten. Der erreichte Fortschritt verdanke sich der Mühe, der Arbeit, dem Geist und dem Glauben der früheren Generation, betonte er bei einem Empfang durch Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid. Dabei verwies er auf das gute internationale Abschneiden Estlands bei Entwicklung, Pressefreiheit, Demokratie und politischer Freiheit.
Auch Kaljulaid sagte, in einer Zeit raschen Wandels und wirtschaftlicher Entwicklung dürften die Schwächsten in der Gesellschaft nicht vernachlässigt werden. Wirtschaftlicher Erfolg verpflichte zur Sorge für andere.
Estland habe seit der Befreiung von sowjetischer Herrschaft „Riesenschritte“ vollzogen, sagte Franziskus. Allerdings sei Wohlstand „nicht immer bedeutungsgleich mit gut leben“. Das Vertrauen in technologischen Fortschritt dürfe nicht die Fähigkeit zwischenmenschlicher, generationen- und kulturübergreifender Bindungen verkümmern lassen.
Mit dem Tagesbesuch in Tallinn beendet Franziskus seine am Samstag begonnene Baltikum-Reise. Am Nachmittag feiert er auf dem Freiheitsplatz der estnischen Hauptstadt eine Messe. Anschließend fliegt er nach Rom zurück.
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