Blick vom Domberg auf die Unterstadt und den Ostseehafen von Tallinn, Estland.
Der erste Bischof heißt Philippe Jean-Charles Jourdan

Ein Geschenk aus Rom – Tallinn wird Diözese

Tallinn  ‐ Ein Jahrhundert warteten Katholiken in Estland, das lange zur früheren Sowjetunion gehörte: nun ist die Hauptstadt Tallinn zum Bischofssitz erhoben worden. Die Peter- und Paul-Kirche wird Kathedrale.

Erstellt: 03.10.2024
Aktualisiert: 02.10.2024
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Von Markus Nowak (KNA)

Einstandsgeschenke sind in der Regel kleine Aufmerksamkeiten, die guten Eindruck hinterlassen sollen. Ein ganz besonderes Geschenk brachte nun Erzbischof Georg Gänswein, seit Juni päpstlicher Botschafter für die baltischen Staaten, nach Estland mit, als er Ende vergangener Woche erstmals nach Tallinn reiste. Bei einem Gebet mit Priestern, Ordensschwestern und katholischen Mitarbeitern verlas er ein Dokument, das zeitgleich auch im Vatikan veröffentlicht wurde: Tallinn wird zum Bischofssitz erhoben und die Apostolische Administratur in Estland damit zur Diözese.

„Wir haben lange darauf gewartet, und plötzlich ist es passiert. Jetzt sind wir eine Diözese“, sagt Marge Paas, Pressesprecherin der neuen Diözese. „Es ist ein historisches Ereignis, gar ein Gnadenakt Gottes, den wir erhalten haben.“

Seit fast einem Jahrhundert wartete die katholische Gemeinschaft in Estland auf diesen Moment. 1924 war die Apostolische Administratur, eine Art Vorstufe von einem Bistum, von Papst Pius XI. gegründet worden; im November sollte das 100-jährige Bestehen mit einem Symposium in Tallinn gefeiert werden. Das wird nun kurzerhand umbenannt werden müssen, sagt Paas. „Es fühlte sich an, als hätte der Nuntius uns ein besonderes Geschenk überreicht – ein Geschenk zum 100. Geburtstag unserer Kirche.“

Ermutigung

Bischof von Tallinn wird Philippe Jean-Charles Jourdan. Der aus Frankreich stammende Geistliche lebte seit 1996 in Estland und leitete seit 2005 als Titularbischof und Apostolischer Administrator die Geschicke der estnischen Kirche. Rund 6.000 Mitglieder zählt die katholische Gemeinschaft, die meisten Katholiken leben in der Hauptstadt Tallinn, wo es neben der Peter- und Paul-Kirche, die nun die Kathedrale des Bistums wird, seit 2000 auch ein Kloster des Brigitten-Ordens im Stadtteil Pirita gibt. Vor sieben Jahren entstand das Priesterseminar Redemptoris Mater des neokatechumenalen Weges, einer charismatischen Bewegung innerhalb der katholischen Kirche.

Zweite große Stadt mit nennenswerter großer katholischer Gemeinde ist das südestnische Tartu, zu Deutsch Dorpat, wo es auch ein katholisches Gymnasium gibt. Darüber hinaus befinden sich vor allem im Osten Estlands sogenannte Missionspunkte, also kleinere Kirchen und Andachtsräume, die von den zumeist aus Polen stammenden Priestern nur an Sonntagen zu Gottesdienstfeiern angefahren werden. Mit Tallinn und Tartu gibt es landesweit acht Gemeinden. Jene im Osten des Landes sind russischsprachig und überaltert.

Vor diesem Hintergrund sei das „Bistums-Upgrade“ eine Ermutigung: „Wir sehen dies als einen Aufruf, unsere Arbeit noch intensiver fortzusetzen, neue Strukturen aufzubauen, besonders in Gegenden, in denen es noch keine regelmäßigen Gottesdienste gibt“, sagt Tomasz Materna. Der polnischstämmige Priester ist Dompfarrer in Tallinn und sieht in der Entscheidung des Papstes „ein wichtiges Zeichen für uns Priester, eine Bestätigung unserer Arbeit und unseres Engagements.“

Überraschung

Insgesamt 13 Priester sind in Estland engagiert, fünf davon aus Polen, weitere kommen aus Italien und Spanien. Sie treffen sich einmal im Monat zu einem gemeinsamen Tag. An einem solchen wollte auch Erzbischof Georg Gänswein als neuer Nuntius – allerdings noch ohne Akkreditierung beim estnischen Präsidenten – teilnehmen, als er die Bistumsernennung bekannt gab.

„Es ist eine sehr vielversprechende Zeit für uns“, sagt Bistumssprecherin Paas und meint damit nicht nur die vielen Veränderungen, die eine Ernennung zur Diözese mit sich bringt. Sie trug als sogenannte Diözesanpostulatorin in den vergangenen Jahren Dokumente zum Seligsprechungsverfahren von Eduard Profittlich zusammen. Profittlich war deutscher Jesuit und wirkte in der Zwischenkriegszeit in Estland als Apostolischer Administrator.

1942 wurde er in sowjetischer Haft zum Tode verurteilt und gilt als Märtyer. „Wir hoffen auf eine Seligsprechung. So Gott will, sehr bald,“ sagte Jourdan unlängst. Spekuliert wurde über eine Seligsprechung im Zuge des 100-jährigen Bestehens der Apostolischen Administratur. Nun soll er Patron der neuen Diözese werden, kündigte Paas an. Aber es fehle noch die Seligsprechung.

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