Schwere Zeiten für Christen im Sahel

Schwere Zeiten für Christen im Sahel

Afrika ‐ Im Sahel sind Christen stets eine Minderheit gewesen. Gelebt haben sie in der Region trotzdem jahrzehntelang. Gewalt durch Terrorgruppen und Banditen macht das heute jedoch zunehmend schwierig bis unmöglich.

Erstellt: 22.02.2021
Aktualisiert: 19.03.2024
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Im Sahel sind Christen stets eine Minderheit gewesen. Gelebt haben sie in der Region trotzdem jahrzehntelang. Gewalt durch Terrorgruppen und Banditen macht das heute jedoch zunehmend schwierig bis unmöglich.

Pater Rodrigue Sanon heißt das jüngste Opfer in Burkina Faso. Der Priester war Ende Januar mit seinem Auto von Soubaganyedougou auf dem Weg nach Banfora, Hauptstadt der Region Cascades im Südwesten des Landes, kam dort aber nie an. 24 Stunden später gab Lucas K. Sanou, Bischof der Diözese Banfora, das Verschwinden des Priesters bekannt. Ein Verbrechen galt als wahrscheinlich. Am nächsten Tag wurde Sanons Leiche im Wald von Toumousseni gefunden. Wer hinter der Ermordung steckt, ist bislang nicht bekannt.

In Burkina Faso ist das kein Einzelfall. In Dablo im Norden des Landes wurden im Mai 2019 während einer Messe ein Priester und fünf Kirchbesucher ermordet. Kurz darauf wurden in Toulfe, ebenfalls im Norden, vier weitere Katholiken getötet. Die Presse titelte: „Christen, die neuen Ziele der Dschihadisten“.

Der Sahelstaat befindet sich bereits seit fünf Jahren in einer Terrorspirale. Bewegungen aus dem Nachbarland Mali wie die „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM) haben sich ebenso ausgebreitet wie die Terrormiliz „Islamischer Staat in der Größeren Sahara“. Mit „Ansaroul Islam“ entstand 2016 die erste burkinische Terror-Gruppierung. Dazu sorgen Straßenräuber, organisierte Banden und Selbstverteidigungsmilizen für Gewalt.

Gezielte Angriffe auf Christen – im Visier der Dschihadisten sind auch moderate Muslime – sind eine neue Dimension: Noch 2016 hatte die Denkfabrik International Crisis Group mit Sitz in Brüssel die „große religiöse Vielfalt und Toleranz“ gelobt, die das Land zu „einer Ausnahme in der afrikanischen Sahelzone“ mache. In einem Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) betonte Ende November Kardinal Philippe Ouedraogo, Erzbischof der Hauptstadt Ouagadougou, die Symbiose zwischen den Religionen. Er warnte jedoch vor „fundamentalistischen und extremistischen Tendenzen“.

Dabei ist das Christentum fest im Land verankert. Anders als in den übrigens Sahelstaaten bekennen sich nur 60 Prozent der 21,3 Millionen Einwohner zum Islam. Die übrigen sind Christen und Animisten. In fast allen Familien finden sich Anhänger verschiedener Religionen. Gezielte Anschläge auf Kirchen und Geistliche, da sind sich Beobachter sicher, sorgen dafür, dass sich die einst stabile Gesellschaft weiter spaltet.

Der Nachbarstaat Niger erlebte bereits 2015 Unruhen, auch wenn diese andere Ursachen hatten. Nach der Veröffentlichung der Mohammed-Cartoons im französischen Satiremagazin „Charlie Hebdo“ kam es zu Protesten und Angriffen, bei denen in der Hauptstadt Niamey sowie in Zinder im Süden insgesamt zehn Menschen starben. Dort retteten sich außerdem 300 Personen in ein Armeecamp. Generell sind Christen hier wenig sichtbar, machen sie doch nur ein bis zwei Prozent der 23-Millionen-Bevölkerung aus.

Auf dem Rückzug sind Christen auch im Norden Malis. Als dieser 2012 von Islamisten besetzt wurde, musste die kleine Minderheit fliehen. In Gao sind im Rahmen der Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen für Mali (Minusma) bis heute auch Soldaten der Bundeswehr stationiert. Doch Priester Fernand Coulibaly, in Mali verantwortlich für die katholischen Medien, bezeichnet die Lage als schwierig. Betroffen ist mittlerweile auch das Zentrum des Landes, wo die Diözese Mopti liegt. 

Dort kommt es zu Überfällen und Ausschreitungen zwischen ethnischen Milizen – angeheizt von Terrorgruppen. In der Region gelinge es nicht, Schulen wieder zu öffnen und eine Präsenz von Priestern aufzubauen. Im Süden in der Region Sikasso wurde vor vier Jahren die kolumbianische Ordensfrau Gloria Cecilia Narvaez Argoti entführt. Als im vergangenen Jahr mehrere ausländische Geiseln befreit wurden, war sie nicht dabei. Es heißt jedoch, dass sie noch lebt. Gezielte Angriffe sind anders als in Burkina Faso trotzdem die Ausnahme.

Generell, sagt Coulibaly, funktioniere das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen in Mali gut. Im Islam gebe es jedoch zahlreiche Strömungen, darunter auch gewaltbereite, oft beeinflusst aus dem Ausland. „Genau diese akzeptieren keine andere Religion.“ In Mali bekennen sich die Muslime – sie machen zwischen 85 und 90 Prozent der 20 Millionen Einwohner aus – mehrheitlich zum meist moderaten Sufismus und betonen die Trennung von Staat und Religion. Eins dürfe außerdem nicht vergessen werden, so der Priester: „Einst gab es hier weder das Christentum noch den Islam. Es gab eine große Familie, die ihre eigene, traditionelle Art des Glaubens hatte.“

Von Katrin Gänsler (KNA)

© Text: KNA

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