Wenn Honduras und Ruanda mit Deutschland trauern

Wenn Honduras und Ruanda mit Deutschland trauern

Flutkatastrophe ‐ Erlebt Deutschland eine „Globalisierung des Mitgefühls“? Nach der Flut erfahren wir viel internationale Anteilnahme - gerade aus den armen Ländern des Südens. Die Kirchen haben dabei eine Brückenfunktion.

Erstellt: 24.07.2021
Aktualisiert: 22.08.2024
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Die Flutbilder der vergangenen sieben Tage schockieren die Menschen weltweit. Bilder, wie man sie in dieser Gewalt von den Philippinen oder den Hurrikangebieten Mittelamerikas kennt - plötzlich kommen sie mitten aus Europa und dem hoch entwickelten Deutschland. Das Ausmaß der Zerstörungen und die erschreckende Zahl an Toten haben eine internationale Anteilnahme ausgelöst, die trotz des Grauens manchen verblüfft. Über diplomatische Betroffenheitsbekundungen gehen sie oft hinaus. Zum Symbol dafür wurde das in Schwarz, Rot, Gold angeleuchtete Rathaus von Tel Aviv - wer hätte vor 20, 30 Jahren eine solche Geste aus Israel für möglich gehalten?

Auch wenn Deutschland beim Wiederaufbau kaum auf ausländische Hilfe angewiesen ist und Berlin gerade Milliarden dafür freimacht, sorgt das menschliche Leid selbst in armen und ärmsten Ländern für großes Mitgefühl. Das spürten in den vergangenen Tagen vor allem die kirchlichen Hilfswerke. Sie erhielten nach der Flut Dutzende Grußbotschaften von Landeskirchen und Partnerorganisationen aus Asien, Afrika und Lateinamerika. Weltgegenden, die längst vom Klimawandel erfasst sind und ähnliche Desaster nur zu gut kennen. Bisher waren sie es, die auf christliche Nächstenliebe aus dem reichen Norden hoffen mussten. Nun wirkt es wie eine Katastrophe mit umgekehrten Vorzeichen.

Aus Honduras und Simbabwe, Kuba und Indien, Mali, Kenia, den Philippinen und vielen anderen Staaten des Südens und Ostens meldeten sich Bistümer und Partner von Renovabis, Misereor, Missio, Adveniat, Kirche in Not oder der Caritas. „Das sind jetzt wirklich großartige Zeichen des Mittragens und Halt Gebens, wofür man im Sinne eines geschwisterlichen Zusammenstehens und gemeinsamen Handelns aller Menschen auf der ganzen Welt im Sinne von Papst Franziskus‘ Enzyklika „Laudato si“ den Schrei der verwundeten Erde“ endlich wahrnehmen muss“, sagt Thomas Schumann von Renovabis über die zahlreichen Solidaritätsbekundungen aus Mittel- und Osteuropa, die das Hilfswerk erreicht haben. 

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Ein „Weckruf“

„Diese Solidarität ist berührend und vielleicht ein kleiner Trost für die Menschen, die bei der Flut Angehörige sowie ihr Hab und Gut verloren haben“, schreibt auch der Geschäftsführer von Kirche in Not Deutschland, Florian Ripka. Ähnliches hört man von Misereor: Die Anteilnahme sei überwältigend. „Sie zeigt uns, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist.“

Aus den Botschaften spricht oft Erstaunen und Entsetzen, dass die klimatischen Gefahren selbst in den vermeintlich gut gerüsteten gemäßigten Zonen derart zuschlagen können. Der Exekutivdirektor von Caritas Indien, Paul Moonjely, schreibt von einem „Weckruf“, das drängende Klimaproblem nun energisch anzugehen. Wie viele andere Absender spricht er auch von Dankbarkeit: „Die Menschen in Deutschland waren immer hilfsbereit und willens, den notleidenden Bevölkerungen in der ganzen Welt die Hand zu reichen, besonders in Indien.“ Nun wolle man den Deutschen etwas von diesem „tiefen Gefühl“ zurückgeben. 

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Tief berührt zeigte sich die Evangelische Kirche im Rheinland nach einem finanziellen Hilfsangebot von 14 afrikanischen Mitgliedskirchen der Vereinten Evangelischen Mission für die deutschen Flutopfer. Insgesamt 20.000 Euro wollen die Gemeinschaften aus bitterarmen Staaten wie Ruanda und Tansania in das Land überweisen, das sie einst in der Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ beherrschte. 

„Globalisierung des Mitgefühls“

Wächst in solchen „umgekehrten Katastrophen“ also künftig die solidarische Weltgesellschaft zusammen, wie sie Papst Franziskus immer wieder beschwört? Gleich zweimal bekundete der Papst öffentlich sein Mitgefühl mit den Betroffenen der Flut. Das ist ungewöhnlich und zeigt einmal mehr, dass das Kirchenoberhaupt gerade beim Thema Klimawandel auf Zusammenhalt der Weltgemeinschaft baut. Die vielen Beispiele zeigen: Mindestens im christlichen Orbit entwickelt sich womöglich so etwas wie eine „Globalisierung des Mitgefühls“.

Dass in Deutschland auch oft umstrittene islamische Verbände wie Ditib, Milli Görüs und die Hilfsorganisation Islamic Relief zu Spenden aufriefen, sollte fairerweise nicht unerwähnt bleiben. In ihren Appellen erinnerten die Verbände daran, dass die just während der deutschen Schreckenstage unternommene Wallfahrt nach Mekka und das islamische Opferfest zu Barmherzigkeit gegenüber jedermann aufforderten.

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Bischof Bätzing dankt Kirche in Polen für Solidaritätsaktion

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat der katholischen Kirche in Polen für eine Solidaritätsaktion mit den Flutopfern gedankt. „Ihre Initiative ist ein lebendiges Zeichen der Mitmenschlichkeit und der christlichen Verantwortung. Und sie stärkt das Band zwischen unseren Völkern, das in der Vergangenheit nicht selten zerrissen wurde, um doch immer wieder erneuert zu werden“, schrieb Bätzing an den Vorsitzenden der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, wie die Deutsche Bischofskonferenz am Donnerstag auf Twitter mitteilte.

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Bild: © Paul Haring/CNS-Photo/KNA

Für Sonntag hatte die katholische Kirche in Polen zu einem „Tag der Solidarität mit den Opfern der Unwetter in Polen, Deutschland, Belgien und den Niederlanden“ aufgerufen. Die Kirche in Polen trage zur Solidarität mit den Opfern bei – „über die Grenzen der Nationen, die uns trennen und verbinden, hinweg. So sind wir katholisch“, betont Bätzing in seinem Brief.

In der vergangenen Woche hatte Gadecki erklärt: „Als Kirche in Polen wollen wir den Geschädigten mit unseren Gebeten und Spenden beistehen.“ Er sicherte den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Deutschlands, der Niederlande und Belgiens die Unterstützung und die geistliche Nähe der Kirche in Polen zu. Nach den Gottesdiensten am Sonntag in Polen solle Geld gesammelt werden, um damit Unterstützung der Caritas für Betroffene zu finanzieren.

© KNA/Christoph Schmidt (KNA)

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