Aufbruchstimmung bei der Amazonas-Synode
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Aufbruchstimmung bei der Amazonas-Synode

Amazonas-Synode ‐ Verheiratete Priester und der klare Wunsch nach optionalem Zölibat - was für Teile der katholischen Kirche undenkbare Reformen sind, wird an der Basis zum Teil längst so gelebt. Das betont Regina Reinart, Misereor-Referentin für Brasilien, die beim Begleitprogramm der Amazonas-Synode in Rom teilnimmt.

Erstellt: 12.10.2019
Aktualisiert: 12.11.2019
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Verheiratete Priester und der klare Wunsch nach optionalem Zölibat - was für Teile der katholischen Kirche undenkbare Reformen sind, wird an der Basis zum Teil längst so gelebt. Das betont Regina Reinart, Misereor-Referentin für Brasilien, die an der Amazonas-Synode in Rom teilnimmt. Die Begegnungen der teilnehmenden Organisationen mit Kardinälen, Bischöfen und dem Papst hat sie in der ersten Woche als sehr positiv und auf Augenhöhe erlebt. Mehr noch, es herrsche Aufbruchsstimmung.

Frage: Frau Reinart, wie bewerten Sie die erste Woche der Amazonas-Synode?

Reinart: Großartig; die erste Woche war absolut großartig. Es gibt eine Aufbruchsstimmung. Die Leute vernetzen sich miteinander. Das ist ein alternatives Bildungsprogramm, das sehr in die Tiefe geht. Es ist Begegnung auf Augenhöhe. Wir treffen uns mit Kardinälen, synodalen Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Parallelprogramm und ich bin berührt von der Ernsthaftigkeit und dem Engagement, mit dem die Leute dabei sind.

Frage: Im Vorfeld der Synode hat es starken Druck von Seiten der brasilianischen Regierung gegeben. Spielt das für die brasilianischen Synoden-Teilnehmer eine Rolle oder nehmen sie unbeirrt an dem Bischofstreffen teil?

Reinart: Die Bischöfe sind sehr besorgt über die Situation. Sie machen das aber nicht nur an Präsident Bolsonaro fest, sondern am gesamten System. Sie lassen sich beraten und besprechen sich untereinander. Sie nehmen mittags und abends an den Nebenveranstaltungen teil, verfolgen Diskussionen zum Thema Bergbau, sprechen mit dem Indigenenmissionsrat CIMI. Die Bischöfe haben diese Themen auf dem Schirm und auch wir wollen da dran bleiben. Es muss eine Veränderung geben und es ist wichtig, dass wir uns hier gegenseitig darin bestärken, klar Position zu beziehen.

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„Frauen haben bei der Amazonas-Synode großen Einfluss.“

—  Zitat: Regina Reinart, Misereor-Referentin

Frage: Der Papst hat sich nach den ersten Plenar-Runden bestürzt gezeigt von der Gewalt im Amazonas. Ist er jetzt noch stärker sensibilisiert?

Reinart: Der Papst hat ja die ganze Synode angestoßen und ist mittendrin. Er ist ein Papst aus dem Volk. Es war fantastisch, mit ihm nach dem Morgengebet am Montag in einer Prozession durch den Petersdom hinaus zur Synodenhalle zu gehen. Da waren wir ein buntes Kirchenvolk. Er predigt auch das Zuhören. Und hat in seiner Ansprache auf aktuelle Ereignisse wie die Waldbrände der letzten Wochen im Amazonas Bezug genommen.

Frage: Welchen Niederschlag fanden die Ereignisse der Waldbrände der letzten Wochen denn sonst bei der Synode?

Reinart: Die vielen indigenen Führungskräfte, die hier in Rom dabei sind, haben berichtet, wie es nun nach den Bränden in ihrer Region aussieht. Ein Vertreter berichtete, dass jetzt zwar der Regen gekommen sei und die Brände gelöscht seien, das Ergebnis aber sei ein Desaster. Immerhin ist es gut, dass hier die Basis der Kirche mit der höchsten Ebene zusammenkommt, um gehört zu werden.

Frage: Es hat einen Vorstoß gegeben, dass Frauen ein Stimmrecht bekommen sollen auf der Synode. Wie bewerten Sie das?

Reinart: Ich finde es großartig, dass einige Bischöfe diesen Antrag gestellt haben. Das Stimmrecht ist eine Sache, aber wir sollten nicht unterschätzen, dass Frauen bei der Synode großen Einfluss haben. Sowohl drinnen als auch draußen hört man ihnen zu. Das habe ich in unserem Workshop zum Leben in der Stadt gesehen, als zwei indigene Frauen von ihrer Situation berichteten. In den ersten Tagen haben die Synodalen sich erst einmal gegenseitig zugehört. Auch in den Gruppenarbeiten wird glaube ich viel geschehen. Nichtsdestotrotz hoffe und bete ich, dass den Frauen künftig das Stimmrecht gewährt wird.

Frage: Eine persönliche Frage: Sie selbst waren einmal Ordensfrau. Haben Sie das Gefühl, in Ihrer heutigen Funktion bei Misereor mehr bewirken zu können?

Reinart: Das sehe ich eher als Kontinuität. Ich habe 12 Jahre in Brasilien gelebt, davor fünf Jahre in Ostafrika. Insgesamt war ich 20 Jahre Mitglied einer Ordensgemeinschaft. Ich denke, meine 12 Jahre in Brasilien sind eine ideale Basis, um mich jetzt so einzubringen, wie ich das hier bei der Synode auch kann. Dank Misereor darf ich noch tiefer eintauchen in die Themen. Mein Horizont wurde noch einmal enorm erweitert und das ist einfach fantastisch.

Frage: Welche Aufgaben für die Frau in der Kirche wünschen Sie sich?

Reinart: In dieser Woche habe ich erlebt, dass man sich auf Augenhöhe begegnen kann – mit Führungskräften, Kardinälen und Bischöfen. Ich wünsche mir, dass wir nicht nur ernstgenommen werden, sondern auch an einem Tisch sitzen können. Dieser Klerikalismus muss aufhören – das wollen ja auch viele Männer in der Kirche. Als Missiologin denke ich, dass das längst überfällig ist.

Frage: Wie stehen Sie zu konkreten Forderungen von Frauengruppen bezüglich Diakonat etc.?

Reinart: Das ist mir nicht genug. Das muss weit darüber hinausgehen. Das Kartenhaus muss fallen. Es geschieht ja auch längst. Es gibt verheiratetes Priestertum, den klaren Wunsch für den optionalen Zölibat und die Weihe der Frau. Das muss einfach kommen. Das haben in den vergangenen Tagen auch ganz klar manche Bischöfe so angesprochen. Manche Gemeinden in Amazonien sagen bereits heute: „Der Gottesdienst der Schwester ist doch viel schöner.“ Die Gemeinden nehmen das anders wahr. Wir leben an der Basis schon längst, was noch nicht den offiziellen Stempel hat, aber es muss kommen. Ich denke, die Amazonas-Synode ist hierfür ein Kairos-Moment, ein Moment der Entscheidung.

Das Interview führte Claudia Zeisel.

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