Nachrichten aus der Weltkirche
Symposium zum Verhältnis der Kirche zu den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus

„Zwischen Fürsorge und Antiziganismus“

Bonn ‐ Unter der Überschrift „Zwischen Fürsorge und Antiziganismus“ hat die Deutsche Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma am 29./30. April 2025 ein wissenschaftliches Symposium zum Verhältnis der katholischen Kirche in Deutschland zu den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit durchgeführt.

Erstellt: 01.05.2025
Aktualisiert: 07.05.2025
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Das Symposium widmete sich den Verstrickungen der katholischen Kirche in die Verfolgung der Sinti und Roma und spürte auch antiziganistischen Denk- und Handlungsmustern in kirchlichen Einrichtungen in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland nach. Obwohl dem Völkermord des NS-Regimes in Europa bis zu 500.000 Sinti und Roma zum Opfer gefallen waren, ist die Aufarbeitung der Gräueltaten an dieser Minderheit erst sehr spät in Gang gekommen. Das gilt auch für die wissenschaftliche Befassung mit der Haltung der Kirche.

Mit der Veranstaltung wurde laut einer Mitteilung der Pressestelle der Deutschen Bischofskonferenz erstmals eine umfassende wissenschaftliche Bestandsaufnahme des historischen Forschungsstands zur Rolle der katholischen Kirche in Deutschland im Zusammenhang mit der Verfolgung der Sinti und Roma vorgenommen. Dadurch konnten sowohl das konkrete Wissen über die Zusammenhänge vertieft als auch Forschungslücken identifiziert werden. Gerade Letzteres gab wichtige Hinweise für mögliche künftige wissenschaftliche Projekte. 

Das Symposium ist eine Frucht des Dialogs zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma. Die Bischofskonferenz versteht die Tagung nicht zuletzt auch als Beitrag zur Überwindung der Beziehungsstörungen, die aus der Geschichte erwachsen sind. So betonte deren Vorsitzender, Bischof Dr. Georg Bätzing (Limburg), in seinem schriftlichen Grußwort zur Eröffnung: „80 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes in Deutschland ist es höchste Zeit, genau hinzuschauen auf das Verhalten der Kirche in der Zeit der Verfolgung, massenhaften Deportation und Ermordung von Sinti und Roma. Dabei begegnen wir Abgründen und Dunkelheiten, Schuld und Versagen.“ Zwar sei es „unangemessen, damaliges Tun und Unterlassen zu bewerten, ohne die Umstände des Lebens in der nationalsozialistischen Diktatur in Rechnung zu stellen“. Und man erkenne dankbar an, „dass es Katholikinnen und Katholiken gab, die Angehörige der Minderheit geschützt oder versteckt und ihnen geholfen haben. Aber wir können eben nicht darüber hinwegsehen, dass der große Aufschrei der Kirche angesichts der Verbrechen an den Sinti und Roma ausgeblieben ist“, so Bischof Bätzing. Weiter sagte er: „Wir wissen, dass Bischöfe stumm geblieben sind und ihre Gläubigen, die zur Minderheit gehörten, im Stich gelassen haben.“

Bischof Bätzing machte deutlich, dass es bei der Aufarbeitung der Vergangenheit darum gehe, „unserer Verantwortung in der Gegenwart und für zukünftige Generationen gerecht zu werden. Wir wollen gemeinsam die komplexen Zusammenhänge aufrichtig vor uns bringen“. Dies sei man den Verfolgten und Ermordeten schuldig.

Der Vorsitzende des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, hob hervor: „Dieses Symposium der Bischofskonferenz der katholischen Kirche macht den Anfang, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Die kritische Aufarbeitung von Antiziganismus in der katholischen Kirche liegt jetzt in der Hand von unabhängigen Historikern, sie werden uns wichtige Erkenntnisse liefern, inwieweit unsere Kirche die damaligen NS-Stellen bei der Erfassung der katholischen Sinti und Roma unterstützte. Diese Erfassung war für unsere Minderheit die Grundlage für die Deportation in die Vernichtungslager der Nazis.“ Rose unterstrich: „Die Absicht der katholischen Kirche, ihre Geschichte wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen, ist ein wichtiger Meilenstein der historischen Verantwortung gegenüber Sinti und Roma, die überwiegend katholisch und ihrer Kirche immer eng verbunden sind.“

Das Symposium, in dessen Rahmen auch ein Gedenkakt am Berliner Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma stattfand, setzte in der aktuellen gesellschaftspolitischen Situation ein klares Zeichen gegen Antiziganismus und gegen jede Form von Diskriminierung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge für Sinti und Roma sowie verwandte Gruppen, Weihbischof Dr. Matthias Heinrich (Berlin), verdeutlichte seine Dankbarkeit für den gemeinsamen Weg, den man eingeschlagen habe. Die konstruktive Atmosphäre und die bei allen erkennbare Bereitschaft, einander zuzuhören, seien sehr ermutigend gewesen. „Was wir jetzt benötigen, sind emphatische Nachdenklichkeit sowie die konsequente Fortsetzung des begonnenen Weges“, so Weihbischof Heinrich weiter. Er kündigte an, dass das Symposium ausgewertet und die Ergebnisse veröffentlicht würden. Auf dieser Grundlage sollen dann Empfehlungen an die Deutsche Bischofskonferenz zum weiteren Vorgehen erarbeitet werden.

An der Veranstaltung nahmen unter anderem der Vorsitzende des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge für Sinti und Roma sowie verwandte Gruppen, Weihbischof Dr. Matthias Heinrich, sowie der scheidende Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, teil.

DBK/weltkirche.de

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