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Erste Frau leitet Vatikanbehörde – aber nicht allein
Vatikanstadt ‐ Erstmals bekleidet eine Frau eine Spitzenposition in der römischen Kurie. Doch die Hierarchie ihrer Behörde wurde zeitgleich geändert: Anders als ihr Vorgänger hat sie einen Kardinal-Co-Chef. Ist das Gleichberechtigung?
Aktualisiert: 10.01.2025
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„Eine Revolution“ nennen einige Vatikanbeobachter die Entscheidung des Papstes, erstmals eine Frau an die Spitze einer Kurienbehörde zu holen. Simona Brambilla wird künftig die Ordensbehörde leiten. Vor ziemlich genau zwei Jahren hatte Papst Franziskus in einem Interview gesagt, dass es keinen Hinderungsgrund gebe, warum eine Frau nicht ein Dikasterium leiten sollte. „Ich habe eine Frau im Sinn für ein Dikasterium, dessen Leitung in zwei Jahren frei wird.“ Dies setzte er nun mit einem ungewöhnlichen Konstrukt in die Tat um. Ein Schritt der katholischen Kirche in Richtung Gleichberechtigung oder Schönfärberei?
Anders als in anderen Vatikanbehörden hat Franziskus der Ordensfrau Brambilla einen Kardinal als Pro-Präfekten zur Seite gestellt. Das gibt es im Vatikan nur in einem weiteren Fall. Bei diesem handelt es sich um die Evangelisierungsbehörde, der der Papst formal vorsteht und die praktische Arbeit an zwei Pro-Präfekten delegiert.
Üblicherweise gliedert sich die Hierarchie eines Dikasteriums, das mit einem Ministerium vergleichbar ist, wie folgt: An der Spitze steht der Präfekt. Der zweite Rang, der in einem Ministerium von einem Staatssekretär bekleidet wird, heißt im Vatikan Sekretär. In seiner Arbeit wird dieser von Untersekretären unterstützt.
Brambilla war bislang Nummer Zwei des Dikasteriums für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, also Sekretärin. Diese Struktur erweiterte Franziskus nun um einen Pro-Präfekten, den Kurienkardinal und ehemaligen Chef des Salesianerordens Ángel Fernández Artime. Die Stelle des Sekretärs bezeichnet das Dikasterium auf seiner bereits aktualisierten Internetseite als vakant. Wegfallen soll sie demnach nicht. Eine Erklärung, warum es nun bei der ersten von einer Frau geleiteten Behörde einen Kardinal als zusätzlichen Pro-Präfekten gibt, blieb der Vatikan bislang schuldig.
Die Möglichkeit, dass Laien überhaupt ein Dikasterium leiten dürfen, ist noch jung. Festgeschrieben hatte sie der Papst in seiner 2022 veröffentlichten Kurienreform. Zuvor war die Leitung der Behörden Erzbischöfen oder Bischöfen vorbehalten – häufig im Kardinalsrang.
Gebrauch von der Möglichkeit machte Franziskus jedoch schon 2018 als er den Journalisten Paolo Ruffini als ersten Laien zum Chef des Kommunikationsdikasteriums machte. Anders als Brambilla steht Ruffini kein Pro-Präfekt zur Seite. Sein Stellvertreter ist wie in fast allen anderen Dikasterien ein Sekretär.
Kardinal als „Pro-Präfekt“
Zweifelsohne hat der Papst als oberster Gesetzgeber die Befugnis zu solcherlei Personalentscheidung. In seiner eigenen Reform räumt er die Möglichkeit ein, von der üblichen Behördenhierarchie abzuweichen: aufgrund der „besonderen Natur“ der kurialen Einrichtung oder eines „speziellen Gesetzes“. Bislang blieb das Ordensdikasterium diesbezüglich jedoch unberührt.
Durchaus Sinn ergibt, dass das Dikasterium von einer Ordensfrau geleitet wird. Die Zahl weiblicher Ordensgemeinschaften ist um ein Vielfaches höher als die der männlichen. Dass für letztere mit Kardinal Artime auch ein Ordensmann in der Leitung der Behörde sitzt, ist nur vernünftig.
Papst Franziskus hatte Artime 2023 ins Kardinalskollegium aufgenommen. Dieser kündigte daraufhin seinen Rückzug von der Spitze des Salesianerordens an und teilte mit, dass ihm der Papst eine andere Aufgabe anvertrauen wolle. Lange sahen Vatikanbeobachter in Artime den nächsten Leiter des Ordensdikasteriums. Nun steht eine Frau über ihm und hat qua Amt das Sagen.
Diese Entscheidung des Papstes dürfte durchaus politischer Natur sein. Die Diskussion um die katholische Frauenfrage hat ein globales Level erreicht. Zuletzt versuchte der Vatikan vermehrt Reformdiskussionen und innerkirchliche Proteste mit Auflistungen möglicher beruflicher Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen in der Kirche zu beschwichtigen – unabhängig von einem Weiheamt. Brambilla dürfte künftig als leuchtendes Beispiel dieser Möglichkeiten präsentiert werden.
Bleibt noch Pro-Präfekt Artime, der seinen Ordensvorsitz aufgrund einer päpstlichen Zusage abgegeben hatte. Ein Kardinal als Sekretär unter einer Frau? Möglicherweise hielt man das im Vatikan für nicht angemessen. Zugleich nimmt Franziskus mit dieser zusätzlichen Ernennung von Kardinal Artime zum Pro-Präfekten Kritikern den Wind aus den Segeln, die kirchenrechtliche Bedenken bezüglich einer Laien-Führung im Ordensdikasterium haben. Brambillas Co-Chef ist schließlich ein Kardinal.
In dieser Hinsicht wäre die Ernennung ein geschickter Schachzug des Papstes – fast. Denn es bleibt ein gewisser Eindruck von „equalwashing“: Ein Anstrich von Gleichberechtigung in einer Institution, in der nach wie vor Männer das Sagen haben – allen voran der Papst.
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