Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl am 29. November 2022 in Rom.
BND-Chef Kahl soll neuer Botschafter im Vatikan werden

Vom Nachrichtendienst zum Heiligen Stuhl

Berlin/Rom  ‐ Es ist ein begehrter Job: Sitz in Rom, an der Schnittstelle zwischen Vatikan und Weltpolitik, dazu gut bezahlt und mit reichlich Renommee. Der Präsident des deutschen Auslandsnachrichtendienstes hat nun den Zuschlag erhalten.

Erstellt: 20.06.2025
Aktualisiert: 18.06.2025
Lesedauer: 
Von Anna Mertens (KNA)

Bruno Kahl hat als Chef des Bundesnachrichtendienstes einen passenden Namenspatron. Der Heilige Bruno von Köln gründete um 1.000 den Kartäuserorden – einen Schweigeorden. Für seinen nächsten Posten benötigt Kahl aber neben Verschwiegenheit auch seine rheinische Geselligkeit, Freude an „la bella vita“ und Toleranz für italienische Chaosbewältigung. Denn der amtierende Präsident des Bundesnachrichtendienstes in Berlin wird neuer Botschafter der Bundesrepublik beim Heiligen Stuhl. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett die Personalie – zusammen mit anderen Botschafterposten.

Der 62-Jährige geht auf dem CDU-Ticket nach Rom und den scheidenden Vatikanbotschafter Bernhard Kotsch beerben. Der 55-Jährige wechselt nach vier Jahren als Staatssekretär ins Auswärtige Amt. Wie Kotsch kommt mit Kahl erneut ein Botschafter nach Rom, der sich zuvor intensiv mit deutschen Nachrichtendiensten beschäftigte und einen besonderen Blick auf das Verhältnis der Bundesrepublik zu anderen Staaten hat. Kotsch war vor seinem Wechsel nach Rom im Bundeskanzleramt Abteilungsleiter und zuständig für die Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes.

Kahl ist mit der Ernennung einer der ersten, der aus freiem Willen und im Guten aus dem Bundesnachrichtendienst scheidet. Kam er doch als Nachfolger des in Ungnade gefallenen Gerhard Schindler auf den schwierigen Posten. Ihm gelang es, den Bundesnachrichtendienst aus den Negativschlagzeilen zu holen. Von Kritik blieb aber auch er nicht verschont. So wurde unter anderem bemängelt, dass er die schnelle Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanistan nicht vorhergesehen habe. Ende 2022 wurde in seiner Behörde Referatsleiter Carsten L. verhaftet, weil er für Moskau spioniert hatte.

Kahl ist zudem kein Karriere-Diplomat – was bei der Besetzung attraktiver Botschafterposten von seinen künftigen Kollegen im Auswärtigem Amt nicht gerne gesehen wird. Mit der ehemaligen Bundesbildungsministerin Annette Schavan gab es aber bereits einen Präzedenzfall.

Kahl ist engagierter Katholik und Kirchgänger. Er absolvierte die studienbegleitende Journalistenausbildung beim katholischen Institut für Publizistik in München. Der Kirche steht er nahe, aber nicht zu nah. Geboren wurde er am 12. Juli 1962 in Essen. Er ist verwitwet, hat zwei erwachsene Töchter. Nach seinem Abitur am Erzbischöflichen Kardinal-Frings-Gymnasium in Bonn, zu dem er familiär weiter Kontakt pflegt, ging er zur Bundeswehr. Seinen Wehrdienst absolvierte er bei der Frontnachrichtentruppe. Die Verbindung zu den militärischen Nachrichtendiensten pflegt er als Reservist bis heute. Immer wieder ist er auch bei Übungen dabei – zur Einschätzung der „Feindlage“.

Spannender als gedacht?

Im Anschluss an seine Bundeswehrzeit studierte Kahl in Bonn und Lausanne Jura und schloss das Studium mit dem zweiten Staatsexamen ab. Danach ging er 1995 unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) als Referent ins Bundeskanzleramt und wurde im Jahr darauf an die Unionsfraktion abgeordnet.

Ab 2005 übernahm er die Leitung des Ministerbüros und wurde zugleich Sprecher des damaligen Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble (CDU). Schon 2006 übernahm er den sogenannten Leitungsstab im Bundesinnenministerium. 2010 wechselte er ins Bundesfinanzministerium, quasi mit Schäuble, dessen langjähriger Vertrauter er war.

2011 wurde er Leiter der Abteilung zu Privatisierung und Beteiligungen im Bundesfinanzministerium, bevor er 2016 vom damaligen Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) als Nachfolger von Gerhard Schindler an die Spitze des Bundesnachrichtendienstes befördert wurde.

Der Botschafterposten in Rom ist ein besonderer. Manch einer mag sagen, ruhig und entspannt, gar langweilig. Für andere ist er ein besonders attraktiver Posten, gut bezahlt, in einer schmucken Botschaftsresidenz im römischen Diplomaten-Viertel Parioli mit großem Garten. Und mit der Möglichkeit, für politische Vertreter aus ganz Deutschland Audienzen bei Papst Leo XIV., Staatsoberhaupt des kleinsten Staates der Welt und Oberhaupt der weltweit größten Glaubensgemeinschaft, einzufädeln und zu organisieren.

Ein Botschafter beim Heiligen Stuhl kann Kontakte pflegen zu Botschaftern aus über 180 Staaten. Kahl dürfte das aufgrund seiner Vorerfahrung leicht fallen. Gerade unter einem US-amerikanischen Papst, der fortwährend zum Frieden weltweit aufruft und einen Gegenentwurf zur imperialen Politik von US-Präsident Donald Trump vertritt, kann der Posten eines deutschen Vatikanbotschafters in den kommenden Jahren ganz neue Herausforderungen mit sich bringen.