Friedensnobelpreis für Atombombenopfer
Bild: © KNA
Japanische Organisation Nihon Hidankyo erinnert an das Grauen

Friedensnobelpreis für Atombombenopfer

Oslo  ‐ Die Schrecken der Vergangenheit als Mahnung für die Zukunft: Das Nobelpreiskomitee in Oslo ehrt die Friedensarbeit der Überlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Die Gefahr eines Nuklearkriegs sei alarmierend.

Erstellt: 11.10.2024
Aktualisiert: 14.10.2024
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Von Christoph Schmidt (KNA)

Am 6. August 1945 um 8.16 Uhr begann mit dem Atomblitz über Hiroshima das Zeitalter der apokalyptischen Bedrohung. Drei Tage später warf die US-Luftwaffe ihre zweite Bombe über Nagasaki ab. Insgesamt starben etwa 120.000 Menschen, ebenso viele wurden verletzt. Niemand kennt das Grauen dieser Waffen besser als die „Hibakusha“ genannten Überlebenden und ihre Kinder. Schreckliche Brandverletzungen und Strahlenschäden haben sie für ihr Leben gezeichnet. Mit ihrer Organisation Nihon Hidankyo setzen sie sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass die Welt dieses Grauen nicht vergisst – und es nie wieder dazu kommt. Am Freitag erhielt Nihon Hidankyo den Friedensnobelpreis – weil das Unvorstellbare inzwischen wieder zu einer realen Gefahr geworden ist.

Mit Tausenden Erinnerungsberichten der damaligen Opfer, Delegationen bei Friedenskonferenzen, Appellen und Petitionen an die Mächtigen der Welt hat Nihon Hidankyo seit seiner Gründung 1956 für die Verhinderung eines neuen Infernos gearbeitet. Durch ihr Engagement habe die Organisation maßgeblich zum jahrzehntelangen Bestand des „nuklearen Tabus“ beigetragen, sagte der Vorsitzende des norwegischen Nobelkomitees, Jorgen Watne Frydnes, bei der Bekanntgabe des Preisträgers in Oslo.

Es sei alarmierend, dass dieses Tabu eines Einsatzes von Nuklearwaffen heute unter Druck stehe. Die Atommächte modernisierten ihre Arsenale und rüsteten auf, weitere Länder strebten den Besitz dieser zerstörerischsten Waffen an, die die Welt jemals gesehen habe. Vor allem aber, so Frydnes: Wieder gibt es im Kontext aktueller Kriege konkrete Drohungen, Nuklearwaffen einzusetzen. „Ein Atomkrieg könnte unsere Zivilisation zerstören.“

Weltfrieden ins Bewusstsein gerückt

Auf die wiederholte Androhung von Atomschlägen durch Russlands Präsident Wladimir Putin im Zuge des Ukraine-Kriegs ging der Norweger auch auf konkrete Nachfrage einer Journalistin nicht direkt ein. Auch die Namen von Staaten wie Iran und Nordkorea, die den Besitz der Bombe anstreben oder schon erreicht haben, fielen nicht. Auch das kriegführende Israel, das schätzungsweise über zwei- bis dreihundert Sprengköpfe verfügt, wurde nicht genannt. Gleichwohl liegt auf der Hand, welche akuten Konfliktherde das Nobelpreiskomitee bei seiner diesjährigen Entscheidung im Blick hat.

Laut der Stockholmer Forschungseinrichtung Sipri existieren weltweit rund 12.100 Atomwaffen – die meisten davon um ein Vielfaches vernichtender als die Sprengsätze auf Japan. Eine Reihe internationaler Verträge etwa zur Nichtverbreitung sollen die Bedrohung einhegen, doch das hinderte die Nuklearmächte nicht, ihre Arsenale auch nach Ende des Kalten Krieges ständig einsatzbereit zu halten, teils sogar zu vergrößern. In Deutschland lagern ebenfalls - unter dem fast harmlos anmutenden NATO-Begriff „nukleare Teilhabe“ – schätzungsweise um die 20 US-Atombomben. In Zeiten von Kampfbegriffen wie „Putinversteher“ oder „Vasallenkanzler“ erscheint die politische Debatte darüber jedoch verhärteter denn je.

Mit der diesjährigen Verleihung ehrt das Nobelpreiskomitee nun wieder die klassische Friedensarbeit, wie sie Preisstifter Alfred Nobel (1833-1896) einst im Sinn hatte. In der Vergangenheit ging der Friedensnobelpreis häufiger an Akteure aus dem Bereich Menschenrechte oder humanitärer Einsatz. Insgesamt 286 Namen standen in diesem Jahr auf der Kandidatenliste für die wohl angesehenste politische Auszeichnung der Welt, davon 197 Einzelpersonen und 89 Organisationen. Offenbar wollte sich das Komitee aber bewusst nicht auf einen der vielen herrschenden Konflikte konzentrieren, etwa die Ukraine, Nahost oder den Sudan, sondern buchstäblich die Gefahr für den Weltfrieden insgesamt ins Bewusstsein rücken. Dotiert ist der Preis mit umgerechnet rund 970.000 Euro.

In absehbarer Zeit werde aus der Gruppe der Hibakusha niemand mehr übrig sein, der noch über den Horror vor knapp 80 Jahren berichten könnte, betonte Komiteevorsitzender Frydnes. Etwa 106.000 Opfer der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki leben noch. Folgende Generationen seien nun aufgerufen, ihr Vermächtnis für atomare Abrüstung weiterzutragen, so der Appell von Oslo.

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