Hochwasser in Brasilien
Bereits 78 Tote – Papst betet für die Opfer

Brasiliens Süden leidet unter gigantischen Überschwemmungen

Rio de Janeiro  ‐ Anhaltende schwere Regenfälle haben große Teile Südbrasiliens unter Wasser gesetzt. Die Schäden sind so gewaltig, dass sie aus Sicht des zuständigen Gouverneurs nur durch einen „Marshallplan“ behoben werden können.

Erstellt: 08.05.2024
Aktualisiert: 08.05.2024
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Von Thomas Milz (KNA)

Eine Woche lang ist Starkregen auf den südbrasilianischen Gliedstaat Rio Grande do Sul niedergegangen. Aufgeweichte Berghänge rutschten ab, Flüsse traten über die Ufer, setzten Straßen und ganze Städte unter Wasser. Durch die Wassermassen drohen nun Staudämme zu brechen. Mittlerweile gehen die Behörden von mindestens 78 Toten aus, mehr als 100 Personen werden vermisst. Zudem wurden Hunderte Verletzte registriert. Mehr als 130.000 Personen sollen laut den Behörden ohne Unterkunft sein.

Angesichts der katastrophalen Lage sprach Papst Franziskus den Betroffenen Mut zu. „Ich bete für die Bevölkerung des Gliedstaates Rio Grande do Sul in Brasilien, der von einer großen Überschwemmung betroffen ist. Möge der Herr diejenigen empfangen, die gegangen sind, und ihre Familien und diejenigen trösten, die ihre Häuser verlassen mussten“, sagte der Papst beim Sonntagsgebet im Vatikan.

Betroffen von der Katastrophe sind 341 der 497 Munizipien des Gliedstaates. Dort ist die Trinkwasserversorgung zusammengebrochen, Strom- und Telefonleitungen sowie Fernstraßen wurden unterbrochen. Auch 110 Krankenhäuser sind in ihrer Arbeit eingeschränkt. In 265 Munizipien wurde gar der Notstand ausgerufen, was auch den Transfer von Hilfszahlungen des Bundes erleichtern soll.

So sind nach offiziellen Angaben mehr als 850.000 Personen vom Zusammenbruch der Trinkwasserversorgung betroffen. Rund 420.000 Häuser seien derzeit ohne Strom, berichten die Versorgungsbetriebe. Besonders schwer getroffen hat es den Großraum um die Regionalhauptstadt Porto Alegre mit rund 4,5 Millionen Einwohnern. Bürgermeister Sebastian Melo bat alle Bewohner, die Ferienhäuser an den nahen Stränden haben, dorthin auszuweichen.

Die Guaiba-Lagune, an der Porto Alegre liegt, erreichte am Sonntag ein Allzeithoch mit einem Wasserstand von über 5,30 Metern. Der bisher höchste Wasserstand war 1941 mit 4,76 Metern gemessen worden. Ab einem Wasserstand von 3 Metern läuft die Lagune über - und die Stadt gerät unter Wasser. Laut aktuellen Berechnungen dürfte der Wasserstand noch mindestens zehn Tage lang über 4 Metern liegen.

Das macht eine Versorgung mit Trinkwasser in vielen Vierteln unmöglich. Solange vier der sechs städtischen Trinkwasser-Pumpstationen unter Wasser stünden, sei die Versorgung nicht wiederherzustellen, so Bürgermeister Melo. Derzeit werden betroffene Stadtteile durch Tankwagen beliefert. Allerdings herrscht bereits ein Mangel an Treibstoff. Da der Flughafen überdies seit Tagen geschlossen ist, verschlechtert sich die Lage zusehends.

Ebenfalls kritisch ist die Situation an mehreren Staudämmen in der Region. Zwei Dämme seien beschädigt worden, mit Dammbrüchen müsse dort in jedem Moment gerechnet werden. Für fünf weitere Staudämme wurde der Alarmzustand ausgerufen.

Der Gouverneur des Gliedstaates, Eduardo Leite, sprach von einem Kriegsszenario. Für den Wiederaufbau sei eine Art „Marshallplan“ nach dem Vorbild Europas nach dem Zweiten Weltkrieg nötig. Dringend bräuchten die Betroffenen Zugang zu Krediten und Hilfsgeldern für den Wiederaufbau. Rio Grande do Sul ist einer der wichtigsten Agrarstaaten Brasiliens. Ein Großteil der Ernten sowie des Viehbestands dürften vernichtet worden sein.

Präsident Luiz Inacio Lula da Silva, der am Sonntag zu seinem zweiten Besuch innerhalb einer Woche in den Flutgebieten war, versprach rasche Hilfen der Zentralregierung für die Opfer. Es werde keine bürokratischen Hürden für den Wiederaufbau geben. Lula bezeichnete die Überschwemmungen als die „größten in der Geschichte Brasiliens“.

Auch die mit Lula angereisten Spitzen von Senat und Abgeordnetenhaus versprachen, dem Gliedstaat unbürokratisch zu helfen. Ähnlich wie während der Corona-Pandemie, als rasch Hilfen bereitgestellt wurden, sollen auch jetzt Finanztöpfe zur Verfügung gestellt werden.

Zudem kündigte Lula einen „Aktionsplan gegen klimatische Unfälle“ an, so der etwas sperrige Titel. „Es muss Schluss damit sein, dass wir immer nur versuchen, im Nachhinein zu agieren. Wir müssen endlich im Voraus sehen, wo das nächste Unglück passieren könnte“, sagte Lula. Der Plan soll von Umweltministerin Marina Silva entwickelt werden. Details zu den Inhalten wurden jedoch nicht mitgeteilt.

Wissenschaftler sehen im Klimawandel einen Grund für den Starkregen. So bringen Regenwolken die Wassermassen über bis zu 4.000 Kilometer Entfernung aus dem nordbrasilianischen Amazonasgebiet in den Süden des Landes. Zudem ist Südbrasilien zu dieser Jahreszeit oft von Wetterextremen betroffen, da dort warme Luft aus dem Norden auf kalte Luft aus dem Süden trifft.

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