Studentenproteste in Buenos Aires
Zehntausendfaches Nein zu Kürzungen an Universitäten und Schulen

Erstmals Massenproteste gegen Milei in Argentinien

Buenos Aires  ‐ In Argentinien gehen 150.000 Menschen gegen Kürzungen im Bildungswesen auf die Straßen. Präsident Milei bekommt die Konsequenzen seines Sparkurses zu spüren.

Erstellt: 25.04.2024
Aktualisiert: 25.04.2024
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Von Tobias Käufer (KNA)

Es ist ein bunter Haufen, der da auf den Straßen in Buenos Aires zusammengekommen ist. Lehrkräfte an Hochschulen, Studierende, Rentner: Sie eint der Protest gegen Kürzungen im Bildungswesen. Betroffen sind die öffentlichen Universitäten in Argentinien. Die sind wegen ihrer kostenfreien Studiengänge beliebt, die Qualität gehört zu den besten in ganz Südamerika. Dem gegenüber stehen leere Staatskassen, aus denen die Bildung bezahlt werden muss.

Der libertär-konservative Präsident Javier Milei ist seit Mitte Dezember im Amt und versucht mit einem radikalen Sparkurs den überschuldeten Haushalt zu sanieren - auch mit Kürzungen im Bildungswesen. Den Universitäten wirft er zudem vor, einseitig linke Inhalte zu vermitteln und in Diensten der abgewählten Peronisten zu stehen.

Für Dienstag (Ortszeit) hatten nun zahlreiche Organisationen in der Hauptstadt Buenos Aires zur „Verteidigung des öffentlichen Bildungswesens“ aufgerufen. Wenige Tage zuvor hatte es aus Kreisen der größten Hochschule, der Universität Buenos Aires, geheißen, angesichts fehlender Mittel sei sogar eine Schließung nicht mehr ausgeschlossen. Davon seien 75.000 Studierende betroffen

Warnschuss

Die Proteste Tausender Menschen am Dienstag sind für Milei ein ernstzunehmender Warnschuss, denn erstmals hat sich das Feld der Demonstrierenden breit aufgestellt gezeigt. Waren es bei den ersten Protesten meist Gewerkschafter, die in Argentinien traditionell oft und gerne streiken und demonstrieren, aber dabei doch überwiegend unter sich blieben, war es nun eine Sammlung aus der Mitte der Gesellschaft.

Die Kürzungen an den Universitäten werden von vielen Menschen auch als Angriff auf ihre persönliche Zukunft wahrgenommen. Denn unentgeltliche Bildung ermöglicht allen Bevölkerungsschichten Aufstiegschancen. Doch wohin soll ein Aufstieg in Argentinien künftig führen? Das Dilemma: In den vergangenen 20 Jahren ist die Privatwirtschaft kaum gewachsen, dafür hat sich die Zahl der im öffentlichen Dienst Beschäftigten von 2,2 Millionen auf 3,9 Millionen Arbeitnehmer fast verdoppelt.

Milei selbst konnte nun einen ersten Erfolg seiner Finanzpolitik verkünden. Dazu ließ er eigens eine TV-Ansprache über alle Sender laufen. „Das ist das erste Quartal seit 2008 mit einem Haushaltsüberschuss, ein Meilenstein, auf den wir alle stolz sein sollten, insbesondere angesichts des katastrophalen Erbes, das wir zu bewältigen haben“, sagte der Regierungschef.

Wirtschaft wächst – Armut auch

Zahlreiche ökonomische Indizien deuten darauf hin, dass sich der Haushalt tatsächlich erholt, Investoren verstärkt nach Argentinien blicken und sich die Inflation spürbar reduziert. Zugleich aber wächst die Armut. Milei machte seinen Landsleuten Mut und versprach, es gebe bald Licht am Ende des Tunnels. Die Demonstrationen verspottete er als „Tränen der Linken“. Trotzdem ist ein schleichender Stimmungsumschwung zu erkennen.

Bei den Protesten positionierten sich prominente Politiker der bislang regierenden überwiegend linksgerichteten Peronisten, so auch der Milei unterlegene Präsidentschaftskandidat Sergio Massa. Ex-Präsidentin Cristina Kirchner zeigte sich am Rande einer Demonstration mit einem T-Shirt einer Universität. Auch Friedensnobelpreisträger Adolfo Perez Esquivel war gekommen. Die Aktivistin Taty Almeida (93) von der Menschenrechtsorganisation „Madres de Plaza de Mayo“ sagte: „Wir sind hier, um unter anderem die Entscheidung von Präsident Milei abzulehnen, öffentliche Universitäten und öffentliche Schulen nicht zu subventionieren.“

Zuletzt hatten auch die Bischöfe des Landes auf die schwierige Situation aufmerksam gemacht. Argentinien durchlebe schwere Zeiten, heißt es im Communiqué zur Herbstvollversammlung vom 19. April. Die Oberhirten verweisen darin auf eine wachsende Narco-Kriminalität im Land; auf ältere Menschen, die beim Einkauf aus wirtschaftlichen Gründen zwischen Medizin und Essen entscheiden müssen; auf die Schließung von Nachbarschaftsküchen und anderen Integrationsorten sowie auf Familien, die ihre Heimat aufgrund wirtschaftlicher Interessen Dritter verlieren.

Milei sagt Universitäten Gelder zu

Inzwischen reagierte Präsident Javier Milei auf die massiven Proteste. „Wir werden die Mittel für die Universitäten garantieren. Und wir werden ihre Verwendung prüfen“, zitierte das Portal „Infobae“ den Regierungschef am Mittwoch (Ortszeit). Zugleich versicherte die Regierung, dass es keine Pläne gebe, Universitäten zu schließen. Zudem kritisierte Milei die an dem Protestmarsch beteiligten linken politischen Kräfte, die das Land bis Dezember regiert hatten. Diese hätten eine gute Sache ausgenutzt, um ihre „Kasteninteressen“ zu verteidigen.

25.04.2024: Statement Bischöfe hinzugefügt /dr

25.04.2024: Statement Milei hinzugefügt /dr

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