„Keine Gerechtigkeit ohne Geschlechtergerechtigkeit“
Essen/Bonn ‐ Zum fünften Mal hat die Deutsche Bischofskonferenz am Freitag in Essen zum Jahresempfang für die Partnerinnen und Partner im christlich-islamischen Dialog geladen. Dabei stand besonders ein Gedenktag im Mittelpunkt.
Aktualisiert: 08.03.2024
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Auf Einladung der Deutschen Bischofskonferenz hat heute (8. März 2024) in Essen zum fünften Mal der Jahresempfang für die Partnerinnen und Partner im christlich-islamischen Dialog stattgefunden. Aus Anlass des Internationalen Frauentags stand dabei das Thema „Interreligiöser Dialog und Geschlechtergerechtigkeit“ besonders im Fokus.
Nach einem Abendgebet im Essener Dom begrüßte der Vorsitzende der Unterkommission für den Interreligiösen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), die Gäste. Dabei betonte er die Notwendigkeit interreligiöser Solidarität angesichts von Tendenzen der Polarisierung und Radikalisierung: „Wann immer Juden und Muslime in Deutschland um ihre Sicherheit fürchten, dürfen Christen nicht schweigen. Wann immer Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens Gewalt angetan wird, wann immer Synagogen oder Moscheen geschändet werden, steht die Kirche solidarisch an der Seite der Opfer. Niemals darf sich unsere Gesellschaft an solche verabscheuungswürdigen Taten gewöhnen.“
Zugleich erinnerte er daran, dass eine Haltung der Geschwisterlichkeit aus katholischer Sicht die Richtschnur für den Aufbau einer gerechteren Welt sei: „Das Bewusstsein, dass wir als Kinder des einen Schöpfers geschwisterlich verbunden sind, bildet die Grundlage der Soziallehre von Papst Franziskus. ... Es geht ganz konkret darum, Verhältnisse der Unterdrückung und Ausgrenzung zu überwinden: innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft, zwischen den verschiedenen Religionen und ganz gewiss auch zwischen Frauen und Männern.“ Mit Blick auf den Internationalen Frauentag unterstrich Bischof Meier: „Wirkliche Gerechtigkeit herrscht nur dort, wo auch Geschlechtergerechtigkeit gewährleistet ist.“
Gesellschaftlichen Entwicklungen stellen
Die Bundestagsabgeordnete und Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen) ging in ihrem Grußwort darauf ein, dass der Glaube sich weiterentwickeln kann und Religionen die Verantwortung obliegt, sich gesellschaftlichen Entwicklungen zu stellen: „Es geht im Glauben nicht darum, Geboten starr zu folgen, sondern vielmehr mit Wenn und Aber zu glauben, denn Glaube ist dynamisch. Daher müssen Religionen drängende Fragen wie die der Geschlechtergerechtigkeit authentisch beantworten und sich den Herausforderungen stellen, die eine moderne Gesellschaft mit sich bringt.“
Inhaltlicher Schwerpunkt des Abends war ein Gespräch zwischen der katholischen Theologin Prof.in Dr. Marianne Heimbach-Steins und der muslimischen Theologin Prof.in Dr. Asmaa El Maaroufi. Dabei stellte Prof.in Heimbach-Steins klar, dass die Verteidigung der gleichen Würde und Rechte von Frauen und Männern für die Theologie eine Frage der Glaubwürdigkeit darstelle: „Genau deshalb ist Geschlechtergerechtigkeit ein Thema, für das ich mich als Theologin und Ethikerin engagiere. In meiner eigenen theologischen ‚Stimmbildung‘ war es mir sehr wichtig, von klangvollen Frauenstimmen aus der biblischen und christlichen Tradition lernen zu können, angefangen von Maria, der Mutter Jesu, bis zu Pionierinnen der modernen theologischen Frauen- und Geschlechterforschung. Sie haben in Kirche und Wissenschaft nur selten Gehör und Anerkennung gefunden. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, wie bereichernd es ist, den Stimmführerinnen einer nicht nur für Frauen befreienden Theologie zuzuhören und in ihren vielstimmigen Chor einzustimmen.“
Prof.in El Maaroufi wiederum verwies darauf, dass die Theologie auch die Überschneidungen zwischen verschiedenen Formen der Ungerechtigkeit ernst nehmen und sichtbar machen müsse: „Es geht darum, sich im Sinne der Intersektionalität mit den Vielschichtigkeiten von Diskriminierung und den je eigenen Einflussmöglichkeiten auseinanderzusetzen, etwa anhand der Kategorien ‚Rasse‘, Klasse, Religion und Geschlecht. Angesichts der Verflechtungen ökologischer, ökonomischer und sozialer Krisen ist der Diskurs um Geschlechtergerechtigkeit – in intergenerationaler wie in globaler Perspektive – für die Gewährleistung einer lebenswerten Zukunft von immenser Bedeutung. Die Theologien müssen sich mit großer Bestimmtheit dafür einsetzen, dass jeder Mensch in seiner Einzigartigkeit die Chance auf umfassende gesellschaftliche und politische Teilhabe hat, auf ein Leben in Sicherheit, Frieden und Würde.“
Neben der inhaltlichen Debatte war der Abend auch durch die geistliche Dimension des Dialogs geprägt: So begegneten sich beim Gebet Texte und Musikstücke aus der christlichen und muslimischen Tradition. Zudem brachte das Duo Murat Çakmaz und Zainab Lax im Rahmen des Empfangs islamisch-sufische und jüdisch-sephardische Stücke zum Klingen.
Verbindendes Element
Im Jahr 2018 hat die Deutsche Bischofskonferenz zusammen mit ihrer Fachstelle Christlich- Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) erstmals zu einem bundesweiten Empfang für die Partner im christlich-islamischen Dialog eingeladen. Ziel ist es, unterschiedliche Dialog-Akteure zusammenzubringen, geistliche und theologische Perspektiven der christlich-islamischen Begegnung zu stärken und ein Zeichen des geschwisterlichen Miteinanders zu setzen. Die Begegnung findet jeweils in zeitlicher Nähe zum Hochfest „Mariä Verkündigung“ statt, das neun Monate vor Weihnachten gefeiert wird
(25. März). Maria erfährt als Mutter Jesu sowohl unter Christen als auch unter Muslimen große Wertschätzung und kann deshalb als verbindende Figur zwischen beiden Religionen gelten.
DBK