Javier Milei, Präsident von Argentinien, bei seiner Antrittsrede am 10. Dezember 2023 auf dem Balkon der Casa Rosada, Palast des Präsidenten von Argentinien, in Buenos Aires (Argentinien).
Kirchenvertreter warnen vor „massiver Verarmung“

Argentinien ächzt unter Mileis Kürzungspolitik

Buenos Aires  ‐ Die Armut wächst, der Druck auf den argentinischen Präsidenten steigt. Für März erwartet die Katholische Universität in Buenos Aires Aufstände. Der Wirtschaftsminister stellt derweil Besserung in Aussicht.

Erstellt: 24.02.2024
Aktualisiert: 20.02.2024
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Argentiniens neuer Präsident Javier Milei hat Wort gehalten. Er hatte seinen Wählern ein schwieriges erstes Jahr prophezeit, ehe sein Kurs der knallharten Wirtschaftsreformen Früchte tragen werde. Diese schwere Zeit ist nun mit voller Wucht eingetroffen. Die argentinische Bevölkerung ächzt unter immer neuen Preiserhöhungen.

Laut dem angesehenen Sozialobservatorium der Katholischen Universität (UCA) in Buenos Aires ist die Armutsrate im Januar auf mehr als 57 Prozent gestiegen, für den Monat März sagt das Institut eine Armutsrate von 60 Prozent und Sozialproteste voraus.

In dieser Woche erhielten einige Argentinier angesichts des Subventionsabbaus Stromrechnungen, die doppelt oder dreimal so hoch waren wie bisher. Dazu kommen Preiserhöhungen für den Nahverkehr. Die Kirche in der bevölkerungsreichen Provinz schlägt Alarm: „Es gibt eine massive Verarmung“, zitieren lokale Medien Pfarrer Munir Bracco von der Sozialpastoral in Buenos Aires. Die Frage ist, wie lange die Argentinier diesen knallharten Sparkurs aushalten und mitgehen können.

Armenpriester fürchtet um soziale Organisationen

Einer, der bereits im Wahlkampf und auch danach als harter Kritiker von Milei in Erscheinung trat, ist Armenpriester Padre Paco Olveira. Der aus Spanien stammende Geistliche gilt als bestens vernetzt im linken Flügel der lateinamerikanischen Kirche – bis hin zu Kontakten nach Kuba. Er wirft Milei vor, die Armenspeisungen der Sozialbewegungen bewusst zu vernachlässigen: „Javier Milei will nichts mit uns zu tun haben, weil er uns für Kommunisten hält“, sagt Olveira. Nach dem Wahlsieg Mileis hatte er für Schlagzeilen gesorgt, weil er bedürftige Milei-Wähler nicht mit Lebensmitteln versorgen wollte. Die katholische Kirche in Argentinien sah sich zu einer Stellungnahme gezwungen, dass alle Bedürftigen ein Recht auf Hilfe hätten.

Inzwischen scheint es so, dass, selbst wenn Padre Paco wollte, er nicht mehr helfen könnte. Milei wirft den sozialen Bewegungen vor, eng mit den lange regierenden Peronisten verbunden gewesen zu sein. Tatsächlich flossen Hunderte Millionen Pesos in die Kassen für wohltätige Zwecke; zur Frage, wie viele davon tatsächlich in den Armenvierteln ankamen, machen sich die Politiker nun gegenseitig Vorwürfe. Aktuell stocken die Zahlungen, Sozialaktivisten stehen publikumswirksam vor dem Wirtschaftsministerium und fordern Lebensmittelausgaben. Andere wollen Supermärkte zwingen, Lebensmittel herauszugeben. Padre Paco Olveira glaubt, dahinter stecke ein ideologischer Plan: „Die Idee der Regierung ist es, alle gemeinschaftlichen, sozialen und politischen Organisationen zu zerstören“, sagte er der Zeitung „Cronica“.

Präsidentielle Fäkalsprache

In dieser Woche vermeldete die Regierung erstmals einen monatlichen Haushaltsüberschuss von 620 Millionen US-Dollar. Das gab es seit zwölf Jahren nicht mehr, gleichzeitig stieg jedoch die Armutsrate auf den höchsten Stand seit 20 Jahren. Für den Monat Februar erwartet Wirtschaftsminister Luis Caputo eine spürbare Reduzierung der Inflation, trotzdem schwebt das Gespenst der Hyperinflation weiter über dem Land.

Milei selbst befindet sich nach dem Besuch beim Papst im Vatikan, bei dem ihm Franziskus gesagt haben soll, er möge die Armen nicht vergessen und weniger polarisieren, weiterhin im verbalen Angriffsmodus. Den Kongress nennt er ein Rattennest, die Politiker beleidigte er in Fäkalsprache, den angesehenen Wirtschaftsliberalen Ricardo Lopez Murphy nannte er einen Verräter.

Wirtschaftsminister Luis Caputo stimmt die Argentinier unterdessen weiterhin auf schwere Zeiten ein: Die kommenden Monate werden „sehr hart“ sein, sodass „wir den Gürtel enger schnallen müssen“, so Caputo. „Wir waren jahrzehntelang ein Land, das süchtig nach Haushaltsdefiziten war, und jetzt wir befinden uns in der Rehabilitation.“ Einen Zeithorizont für Verbesserungen nannte er auch: Die Wirtschaft werde bereits im letzten Quartal 2024 zum Wachstum zurückkehren. „Die Anstrengung wird sich lohnen“, betonte er. Bis dahin sind es aber – vor allem für die armen Argentinier – noch sehr lange acht Monate.

Von Tobias Käufer (KNA)

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