Gewerkschaften und Kirchen schlagen Alarm gegen Mileis Kurs

Argentinien vor Generalstreik?

Buenos Aires  ‐ In Argentinien haben Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen zu Protesten gegen die drastischen Spar- und Deregulierungsmaßnahmen der neuen Regierung aufgerufen. Auch die Armenpriester haben sich klar positioniert.

Erstellt: 25.01.2024
Aktualisiert: 24.01.2024
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Tobias Käufer (KNA)

Die üblichen 100 Tage zur Eingewöhnung werden Javier Milei nicht gewährt. Argentiniens neuer Präsident ist seit 10. Dezember im Amt und versucht mit einem radikal marktliberalen Programm, die Wirtschaftskrise im Land zu bekämpfen. Fast zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen (62 Prozent) lebten bei Amtsantritt des libertären Marktökonomen unter der Armutsgrenze. Milei machte eine fehlgeleitete „sozialistische Verarmungspolitik“ unter den Peronisten der vergangenen Jahrzehnte für die katastrophale Lage mit fast 200 Prozent Inflation verantwortlich.

Milei will nun gegensteuern; mit knallharten Sparmaßnahmen, Entbürokratisierung, Deregulierung der Wirtschaft sowie Abwertung des Peso. Doch das führt erst mal zu höheren Preisen bei Sprit und Lebensmitteln. Zwei harte Jahre hat Milei seinen Landsleuten angekündigt, ehe es Licht am Ende des Tunnels geben werde.

Nun aber melden sich alsbald die Gewerkschaften und Sozialorganisationen zu Wort und fordern einen Stopp, zumindest aber eine Abfederung der per Notstandsdekret verkündeten harten Maßnahmen, die noch vom Kongress gebilligt werden müssen.

Auch die in einer Organisation zusammengeschlossenen Armenpriester, die traditionell dem peronistischen Lager nahestehen, wandten sich an die Öffentlichkeit. „Übermäßige Preisanstiege, Angst vor Arbeitslosigkeit und Arbeitsplatzunsicherheit, Drogenkonsum, in dem viele Kinder gefangen sind, und das Fehlen eines Staates, der präsent ist und sich um die Schwächsten kümmert, lassen uns verzweifeln“, schreiben die Priester in einem Offenen Brief. Auf einige Probleme hätten sie bereits im Wahlkampf hingewiesen.

Sie sehen die Konsequenzen der hohen Preise bereits in den Armenvierteln spürbar: „Wir sind besorgt über den Nahrungsmittelnotstand, über die Medikamentenpreise, die prekären Mieten in unseren Vierteln, die vielen unkontrollierten Erhöhungen.“ Löhne und Einkommen würden allerdings nicht erhöht. Deshalb fordern die Armenpriester: „Wir brauchen in diesen Zeiten eine starke Lebensmittel- und Wohnungspolitik, vor allem in unseren Vierteln, wo die Mehrheit der Bevölkerung Kinder sind.“

Und sie sind auch der Folgen der dramatischen Unsicherheit bewusst. Angesichts krimineller Handlungen einiger Jugendlicher dürfe nicht die wichtigste Reaktion darin bestehen, das Alter der Strafmündigkeit zu senken. „Der leichte Zugang zu Waffen in unseren Stadtvierteln ist besorgniserregend, ebenso wie ein Mangel an freien Stellen in Brennpunktschulen.“ Es fehlten Kapazitäten, um junge Menschen in den Schulen zu halten; und: Die Entscheider in vielen Bereichen der Gesellschaft seien allzu weit vom Erleben der einfachen Menschen entfernt.

Abschließend heißt es: „Diese Probleme bestehen schon seit Jahren; und sie können nur durch eine staatliche Politik verbessert werden, die Gerechtigkeit, Frieden und Harmonie anstrebt, in einem Klima von Einheit und Sensibilität gegenüber jenen, die vom Tisch des Lebens ausgeschlossen sind.“ All das lasse sich nicht von heute auf morgen aufbauen. Einstweilen beginnt am Mittwochmittag (Ortszeit) der Generalstreik. Er soll viele Bereiche des Arbeitslebens umfassen.

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