„Wir flehen und beten mit euch“
Berlin ‐ Klare Worte von Politik und Religionsvertretern: „Wir stehen zu Israel“ und „Wir dulden keinen Antisemitismus in Deutschland“. Und das Bekenntnis von vielen, bei israelfeindlichen Aussagen zu lange zugeschaut zu haben.
Aktualisiert: 23.10.2023
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Ein Geburtstagslied für eine verschleppte Geisel, ein Vater, der sich um seine Frau und seine beiden Kinder sorgt. Das waren die wohl eindrücklichsten Szenen der großen Solidaritätskundgebung für Israel am Brandenburger Tor. Mehrere tausend Menschen – nach Veranstalterangaben 25.000 – versammelten sich dazu von der Straße des 17. Juni bis zur Siegessäule. Viele von ihnen hatten Israel-Flaggen mitgebracht, ganz vorne standen Frauen und Männer, die Plakate mit von der radikalislamistischen Hamas verschleppten Menschen hochhielten.
Hauptredner war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Noch nie seit dem Ende der Schoah seien durch einen Angriff so viele Jüdinnen und Juden ermordet worden, betonte er in seiner Rede. Israel habe das Recht, sich gegen diesen Terror zu verteidigen. „Und Deutschland steht dabei fest an Israels Seite“, so der Bundespräsident. „Wir flehen und beten mit euch!“
Er erinnerte auch daran, dass der Terror auch Menschen im Gazastreifen treffe, „deren Interessen die Hamas nur vorgibt zu vertreten“. Er versprach Hilfe und Schutz. Das sei ein Gebot der Menschlichkeit, betonte Steinmeier. Zudem ging er auf die Situation in Deutschland seit dem Angriff der radikalislamistischen Hamas auf Israel ein. „Es ist unerträglich, dass Jüdinnen und Juden heute wieder in Angst leben – ausgerechnet in diesem Land“, so der Bundespräsident. Jüdische Eltern könnten ihre Kinder nicht mehr in die Schule schicken und das Holocaust-Mahnmal müsse von der Polizei geschützt werden.
Kaddisch für die Opfer des Hamas-Terrors
Auch Vertreter von CDU, CSU, SPD, der Grünen, FDP und der Linken bekundeten ihre Solidarität mit Israel. Die Bundesregierung war durch die Minister Hubertus Heil, Klara Geywitz (beide SPD) und Lisa Paus (Grüne) vertreten. Bundeskanzler Olaf Scholz war an diesem Tag in Dessau bei der Einweihung der neuen Synagoge. So wie der israelische Botschafter Ron Prosor, der dennoch auch auf der Kundgebung sprach und vor allem islamische Verbände und Rosa-Luxemburg-Stiftung für eine uneindeutige Haltung kritisierte.
Auch Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, Daniel Botmann, ging auf Ausschreitungen in Deutschland ein. Sie stünden nicht für die Palästinenser. Die Demonstranten gingen aus purem Hass gegen Israel und die Juden auf die Straße. Botmann forderte politische Konsequenzen: „Es wurde genug zugeschaut“, meinte er. Und: „Schluss mit der Toleranz. Wer antisemitische Parolen schreit, muss notfalls auch abgeschoben werden. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, muss empfindlich bestraft werden.“
Als Vertreter der beiden Kirchen waren der Fuldaer katholische Bischof Michael Gerber und die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, gekommen. Beide betonten ihre doppelte Verantwortung als Christen. „Zum einen als Bürger eines Landes, das vor wenigen Jahrzehnten unermessliches Leid und millionenfachen Tod über die Juden gebracht hat. Zum anderen, weil wir wissen, dass der Antisemitismus auch in einer Schuldgeschichte des Christentums wurzelt“, wie Gerber es ausdrückte, der auch stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist.
Ganz still wurde es noch mal, als der Berliner Rabbiner Yitshak Ehrenberg das „Kaddisch“, das jüdische Totengebet, für die Opfer des Terrorangriffs der Hamas sprach. Die herbstliche Sonne stand da schon sehr tief. Die Veranstaltung ging sehr viel länger als geplant, auf der Straße des 17. Juni standen die Menschen trotzdem immer noch eng beisammen.