Arbeitsgruppe fordert Aufenthaltsrecht für Betroffene von Menschenhandel
Bonn ‐ In ihrem Koalitionsvertrag versprechen die Ampel-Parteien bessere Bleibeperspektiven für Betroffene von Menschenhandel. Doch passiert ist bislang nichts. Die Arbeitsgruppe Menschenhandel der Deutschen Bischofskonferenz fordert die Regierungsparteien zum Handeln auf
Aktualisiert: 31.07.2023
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Groß war die Hoffnung, als die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag versprachen, dass Opfer von Menschenhandel ein Aufenthaltsrecht unabhängig von ihrer Aussagebereitschaft erhalten sollten. Doch passiert ist bislang wenig. Für die Betroffenen ist das ein großes Problem.
Wenn Betroffene des Menschenhandels aus ausbeuterischen Verhältnissen aussteigen oder gegen Ausbeuterinnen und Ausbeuter aussagen möchten, stehen sie vor einem Dilemma. Die Verarbeitung ihrer Erfahrungen ist oft langwierig, sehr belastend und kostet viel Kraft. Manche Betroffene können darüber nicht offen sprechen, bei anderen dauert es sehr lange. Kommen sie aus sogenannten Drittstaaten, benötigen sie für ihren Verbleib in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis. Erhalten sie diese nicht, müssen sie in ständiger Furcht vor Abschiebung leben. Das Einkommen, auf das sie und oftmals auch ihre Familien angewiesen sind, bricht weg; sie können sich und andere durch eine Kooperation mit den Sicherheitsbehörden in Gefahr bringen. In vielen Fällen sind die Betroffenen, meist unfreiwillig, selbst straffällig geworden, beispielsweise durch Schwarzarbeit.
Gleichzeitig ist das Wissen der Opfer von Menschenhandel für die Justiz von unschätzbarem Wert und ihre Aussage eine wichtige Voraussetzung für eine Verurteilung. Daher ist heute im Aufenthaltsgesetz (§ 25 Abs. 4a und 4b) festgehalten, dass einem Ausländer oder einer Ausländerin, der oder die Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, auch bei vollziehbarer Ausreisepflicht, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll. Doch was sich gut anhört, ist in der Praxis nicht nur mit großen Hürden versehen, sondern gilt auch nur, falls Strafgerichte oder Staatsanwaltschaften eine Aussage für notwendig erachten. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist nur in humanitär begründeten Ausnahmen möglich.
Zeit und gesetzlicher Rahmen
Beraterinnen und Berater, die mit Opfern von Ausbeutung und Menschenhandel arbeiten, machen die Erfahrung, dass die Überwindung von Traumatisierung und die Entwicklung von (Lebens-)Perspektiven außerhalb der ausbeuterischen Verhältnisse Zeit und einen an den Betroffenen orientierten rechtlichen Rahmen brauchen. Wenn der Ausstieg mit hohen Hürden und Unsicherheiten für sie und ihre Familienangehörige verbunden sei, werde er kaum gelingen und auch eine Aussage gegenüber den Strafverfolgungsbehörden unwahrscheinlicher, heißt es.
Ein Netzwerk, das sich intensiv mit dem Thema beschäftigt hat, ist die Arbeitsgruppe gegen Menschenhandel der Deutschen Bischofskonferenz. Im Februar veröffentlichte die Gruppe, der neben der Bischofskonferenz u.a. auch der Deutsche Caritasverband, der Malteser Hilfsdienst, Solwodi, In Via, Missio Aachen, Renovabis, das Fraueninformazionszentrum FIZ im VIJ sowie Justitia et Pax angehören, daher ein Diskussionspapier. Sie fordern, Opfern von Menschenhandel ein Aufenthaltsrecht unabhängig von deren Aussagebereitschaft gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zu gewähren.
In einem Statement zum Welttag gegen Menschenhandel unterstrich der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Menschenhandel, der Kölner Weihbischof Ansgar Puff: „Der Ausstieg aus ausbeuterischen und sklavereiähnlichen Verhältnissen darf für Opfer von Menschenhandel nicht mit zu hohen Hürden und Unsicherheiten für die Familienangehörigen verbunden sein. Ein Aufenthaltsrecht unabhängig von Ihrer Aussagebereitschaft im Strafverfahren würde Ihnen helfen Traumata zu überwinden und Lebensperspektiven zu entwickeln.“
Vorschlag zur Neuregelung hier herunterladen
weltkirche.de/AG Menschenhandel