Straßenszene mit Flagge Kuba Cuba Havanna
Gedenken an getötete Demonstranten

Nach historischen Sozialprotesten kaum Veränderung auf Kuba

Havanna ‐ Vor zwei Jahren gingen auf Kuba tausende Menschen bei Sozialprotesten auf die Straße. Viel passiert ist seitdem nicht. Noch immer sitzen Hunderte im Gefängnis.

Erstellt: 11.07.2023
Aktualisiert: 11.07.2023
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Von Tobias Käufer (KNA)

Was als Künstlerprotest begann, mündete in die historisch größten regierungskritischen Demonstrationen auf Kuba: Im Juli 2021 gingen überall auf der sozialistisch regierten Karibikinsel Menschen auf die Straße, um gegen die anhaltende Versorgungskrise und für eine demokratische Öffnung des Ein-Parteien-Systems zu demonstrieren. Die Regierung von Präsident Miguel Diaz-Canel, dem ersten, der nach sechs Jahrzehnten Revolutionsführer Fidel Castro und dessen Bruder Raul an der Spitze nicht aus der Familie Castro stammt, reagierte knallhart.

Von jenen, die am 11. Juli 2021 auf die Straße gingen, sollen sich immer noch mehr als 600 Menschen im Gefängnis befinden. Andere Schätzungen gehen von über 700 Inhaftierten aus. Ein Teil von ihnen ist wegen staatszersetzender Umtriebe und Rebellion zu langen Haftstrafen verurteilt, darunter auch Jugendliche, die an den ersten Protesten ihres Lebens teilnahmen.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), die mit einer Sektion auf Kuba vertreten ist, erinnerte daran, dass sich am 12. Juli auch der Todestag von zwei friedlich Demonstranten jährt. Ihren Erkenntnissen zufolge schoss die Polizei dem 36-jährigen Sänger Diubis Laurencio Tejeda in einem Vorort von Havanna in den Rücken. Christian Barrera Diaz wird seit dem 12. Juli 2021 vermisst, nachdem er an einem gewaltfreien Protest teilnahm. Die Polizei teilte der Familie zuerst mit, dass er in Gewahrsam sei, und behauptete später, er sei ertrunken und in einem Massengrab beerdigt worden. Seine Familie ist allerdings davon überzeugt, dass die Polizei ihn zu Tode geprügelt hat.

Weil der Staat auf die Proteste mit Repression reagierte, setzte die größte Fluchtwelle in der kubanischen Geschichte ein. Stimmen die Zahlen, die die US-Behörden veröffentlichten, dann hätten mehr als 300.000 Menschen die Insel Richtung USA verlassen. Ausgerechnet bei der Abschiebung der ohne gültige Papiere eingereisten Kubaner arbeiten die ideologischen Todfeinde aus Washington und Havanna eng zusammen, wie die Abschiebeflüge beweisen. Geflüchtete, die auf offener See aufgegriffen werden, werden umgehend zurückgeschickt. Hinzu kommt auch eine gezielte Ausbürgerungspolitik der kubanischen Behörden: Regierungskritische Künstler und Aktivisten werden vor die Wahl gestellt, entweder lange Haftstrafen absitzen zu müssen, oder freiwillig das Land zu verlassen.

Unterdessen macht die kubanische Regierung das jahrzehntelange US-Handelsembargo für die immer schlimmere Versorgungskrise verantwortlich. Die offiziell nicht zugelassene Opposition spricht dagegen von Korruption und einer nicht funktionierenden Planwirtschaft. Als Beleg verweist sie auf die Touristenhotels, in denen es den internationalen Gästen an nichts fehle, während die kubanische Bevölkerung Hunger leide. Dafür gibt es inzwischen sogar erstklassige Golfplätze für die gut zahlende Kundschaft. Dies mit der Kamera zu dokumentieren, ist allerdings verboten.

International hat Kuba eine treue Unterstützergemeinschaft: China, Russland, der Iran, Venezuela und Nicaragua stellen sich hinter Havanna, seit einem halben Jahr gehört auch Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva zu den politischen Kräften, die für das kubanische Regime Partei ergreifen. Auf dem in Brüssel anstehenden Gipfels zwischen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten CELAC dürfte das Thema zur Sprache kommen. Das Handelsembargo gegen Kuba ist in Lateinamerika unpopulär; ob Lula dann auch im Gegenzug die Zulassung von freien Parteien und Wahlen fordern wird, bleibt abzuwarten.

Kubas Außenminister Bruno Rodríguez kritisierte laut der staatlichen Agentur „Prensa Latina“ die „mangelnde Transparenz und das manipulative Verhalten der Europäischen Union“ bei der Vorbereitung des CELAC-EU-Gipfels. Das dritte Treffen dieser Art findet am kommenden Montag und Dienstag (17./18. Juli) in der belgischen Hauptstadt statt.

KNA

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