El Salvador: Präsident Bukele strebt Wiederwahl an – trotz Amtszeitbegrenzung
San Salvador ‐ Eigentlich ist in der Verfassung von El Salvador eine Amtszeitbegrenzung festgeschrieben. Doch der mit harter Hand regierende Präsident will trotzdem antreten. Was das für Folgen haben kann, zeigen Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit.
Aktualisiert: 06.07.2023
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Stimmen die Umfragen, dann ist Nayib Bukele derzeit der populärste Staatschef in Lateinamerika. El Salvadors Präsident ist wegen seiner international umstrittenen, im eigenen Land auf große Zustimmung stoßenden Politik der harten Hand gegen die kriminellen Gangs in dem mittelamerikanischen Staat zu einer Symbolfigur geworden. Während eines mehrmals verlängerten und seit über einem Jahr andauernden Ausnahmezustands ließ er fast 70.000 mutmaßliche Bandenmitglieder verhaften.
Menschenrechtsorganisationen kritisieren dieses Vorhaben scharf. Wo immer in Lateinamerika derzeit die Alltagskriminalität aus dem Ruder läuft, rufen die Menschen nach einer Politik oder einem Politikertyp wie Nayib Bukele. Am 21. Juli wird der Präsident 42 Jahre alt, für ihn offenbar zu jung, um sich in den politischen Ruhestand zu begeben. Seine Partei „Nuevas Ideas“ (Neue Ideen) hat ihn und Vizepräsident Felix Ulloa erneut nominiert, obwohl die Verfassung eigentlich eine zweite Amtszeit verbietet. Doch die Justiz in El Salvador gilt als regierungsnah, weil von Bukele selbst ausgesucht. Die Verfassungsrichter gaben grünes Licht.
Die Opposition spricht schon jetzt von einer illegalen Kandidatur, doch angesichts von Zustimmungsraten von weit über 70 Prozent fehlt im Wahlvolk derzeit das Protestpotenzial. Mahnende Stimmen gehen in der Euphorie um den charismatischen Hardliner unter.
Droge Macht
In jüngerer Vergangenheit hat es in Lateinamerika zwei ähnliche Fälle gegeben, bei denen Präsidenten trotz einer Amtszeitbegrenzung das Ende der auf Zeit verliehenen Macht nicht akzeptieren wollten. Beide Fälle endeten in einer tiefen politischen Krise.
Evo Morales regierte Bolivien bereits von 2006 bis 2016, als er sein Wahlvolk befragte. Die Verfassung, ohnehin schon mehrmals zu Morales' Gunsten interpretiert, sah aber kein erneutes Schlupfloch mehr vor. Also bat er sein Volk, einer weiteren Verfassungsänderung für eine dritte Kandidatur zuzustimmen. Sein Versprechen: Sollte er das Referendum verlieren, würde er künftig wieder als Koka-Bauer arbeiten.
Dann aber sagten die Bolivianer zu seiner Überraschung Nein zu einer Verfassungsänderung und damit auch zur erneuten Kandidatur. Morales argumentierte nun, es sei sein Menschenrecht, wieder antreten zu dürfen. Nach seinem Wortbruch und den juristischen Winkelzügen war in Bolivien nichts mehr wie zuvor. Von nun an herrschte Misstrauen gegen Morales, der in seinen Anfangsjahren das Land voranbrachte, die Wirtschaft modernisierte und als Gesprächspartner in Europa gern gesehen war.
Doch die Droge Macht hatte ihn im Griff. Als es bei der Stimmenauszählung der Wahlen 2019 über Nacht zu einem überraschend neuen Trend kam, internationale Wahlbeobachter und Informatiker Zweifel an den Ergebnissen bekamen, Hunderttausende auf die Straße gingen, floh Morales nach Druck der Militärs, der Gewerkschaften und auch aus den eigenen Reihen zunächst ins Exil. Nach Neuwahlen, die die Morales-Partei ohne Evo diesmal klar gewann, kehrte der Ex-Präsident wieder zurück. Und macht seitdem seinem Parteifreund und Amtsinhaber Luis Arce das Leben schwer. Morales sieht sich immer noch als legitimer Präsident und will 2025 wieder antreten. Auch zum Preis, dass es diesmal die eigene sozialistische Partei zerreißt, die längst in Morales- und Arce-Anhänger gespalten ist.
Von Nicaraguas sandinistischer Revolution ist nichts mehr übrig
Auch in Nicaragua war die Missachtung einer in der Verfassung festgeschriebenen Amtszeitbegrenzung der Ausgangspunkt einer bis heute andauernden Krise. Laut Verfassung hätte der sandinistische Staatschef Daniel Ortega 2011 nicht mehr erneut zur Präsidentenwahl antreten dürfen, doch von ihm handverlesene Richter ließen eine Kandidatur dennoch zu. Seitdem verwandelte sich die sandinistische, also eigentlich linksgerichtete Republik mehr und mehr in eine Diktatur.
Ortega ließ bei den folgenden Wahlen Rivalen und Parteien verbieten, warf die Oppositionskandidaten ins Gefängnis und drangsalierte die katholische Kirche. Von den Prinzipien der einst vor allem von katholischen Basisgemeinden unterstützten sandinistischen Revolution blieb nichts mehr übrig. Der ehemalige Wegbegleiter, Priester und spätere scharfe Kritiker Ernesto Cardenal sagte kurz vor seinem Tod 2020, Ortega sei ein „kleiner, mieser Diktator“ geworden.
KNA