Einzigartiger Kirchen-Bildungsort: Collegium Orientale wird 25
Eichstätt ‐ Eine außergewöhnliche Ausbildungsstätte feiert Jubiläum: Das Collegium Orientale (COr) in Eichstätt wird am 1. September 25 Jahre alt. Bereits am 30. Juni gibt es einen Festakt.
Aktualisiert: 27.06.2023
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Das COr ist nach eigenen Angaben das weltweit einzige Priesterseminar, in dem Seminaristen und Priester aus den orientalischen und orthodoxen sowie aus den katholischen Kirchen des Ostens ausgebildet werden. Zum Geburtstag hat die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) mit Rektor Oleksandr Petrynko gesprochen. Petrynko thematisiert die Folgen des Ukraine-Kriegs für sein Haus, die Magie von Ikonen – und Delikates.
Frage: Herr Petrynko, haben Sie überlegt, Ihre Jubelfeier abzusagen?
Petrynko: Sie meinen wegen des Kriegs in der Ukraine? Nein. Die Feier war schon seit Jahren geplant, wir haben uns intensiv vorbereitet. Wir freuen uns auf das Fest, auch weil wir hohen Besuch bekommen: Kardinal Kurt Koch, den Vorsitzenden des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Unser Fest ist außerdem als Forum für Austausch und Verständigung angelegt – gerade in diesen Zeiten ist das ja angebracht. Zumal wir viele ukrainische Gäste erwarten, die aus erster Hand vom Krieg berichten können.
Frage: Wie hat sich der Krieg auf das COr ausgewirkt?
Petrynko: Von unseren 44 Studenten sind zwei Drittel aus der Ukraine. Zudem haben wir zwei Russen hier, allerdings aus Kasachstan. Wir haben, Gott sei Dank, keine Streitereien, weil alle dieselbe Meinung zum Krieg teilen. Zwischendurch gab es etwas kirchenpolitischen Dissens, als es um das bedeutende Kiewer Höhlenkloster ging, von wo wir fünf Studenten beherbergen. Sie gehören zur ukrainisch-orthodoxen Kirche, die in kanonischer Einheit mit dem Moskauer Patriarchat steht.
Frage: Also mit der russisch-orthodoxen Kirche, die Putin die Treue hält.
Petrynko: Von diesem Patriarchat hat sich die ukrainisch-orthodoxe Kirche zwar im Mai 2022 losgesagt, aber das Patriarchat betrachtet sie weiter als Bestandteil der russischen Orthodoxie. Es fehlt ein deutlicher Schnitt. Deswegen gab es bei uns immer mal wieder Debatten. Aber keinen Streit. Da zahlt sich aus, dass Offenheit für andere Kulturen Bewerbungsvoraussetzung bei uns ist.
Faszination Ikonen
Frage: Im Gründungsstatut von 1998 heißt es, das COr solle die Bewusstseinsbildung bezüglich der Ostkirchen fördern. Was heißt das konkret?
Petrynko: Wir möchten die innerchristliche Vielfalt unter uns selbst bekanntmachen, wir möchten unierte und orthodoxe Konfessionen miteinander vernetzen, auf dass wir den Facettenreichtum im Glauben an den Herrn kennen- und auch aushalten und schätzen lernen. Außerdem bieten wir viele Angebote für die Außenwelt an. Wir empfangen regelmäßig Gäste zu Führungen und feiern Gottesdienste außerhalb, in normalen Pfarrgemeinden. Die Nachfrage ist so groß, dass wir sie gar nicht zu 100 Prozent erfüllen können.
„Es gilt, fragwürdige Verbindungen zwischen Staat und Kirche im ostkirchlichen Bereich wissenschaftlich aufzuarbeiten.“
Frage: Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Petrynko: Ein Aspekt ist wohl die Welt der Ikonen, die ja ein wesentliches Erscheinungsmerkmal der Ostkirchen sind. In der Gegend um Eichstätt gibt es seit Langem Ikonenmalerei-Vereine und -Kurse. Woher diese Tradition rührt, weiß ich nicht.
Frage: Was macht Ikonen so reizvoll?
Petrynko: Ikonen sind eine gemalte Verkündigung der Frohen Botschaft. Die dargestellten Figuren sind für Gläubige in den Bildern in gewisser Weise präsent, deshalb küsst man sie auch. Und bedenken Sie den Schaffensprozess: Bevor ein Maler beginnt, eine Ikone anzufertigen, setzt er sich damit erst einmal geistig und geistlich auseinander, er betet viel. Ich denke, so entsteht eine Energie, die später aus dem Werk heraus auf den Zuschauer fortwirkt, selbst wenn dieser gar nicht christlich sozialisiert ist.
Mehr Gefühl im Gottesdienst
Frage: Was kann die römisch-katholische Kirche von den orientalischen Schwestern lernen?
Petrynko: Vielleicht ein bisschen mehr Gefühl, zumindest in der westlichen Welt. Römisch-katholische Gottesdienste sind oft ziemlich nüchtern aufgebaut. Bei uns singt zum Beispiel immer die ganze Kirche laut mit. Auch beim Weihrauch-Einsatz wäre buchstäblich noch Luft nach oben. In den Ostkirchen geht's einfach sinnlicher zu. Noch das heiß diskutierte Stichwort Synodalität: Im orthodoxen Bereich gibt es durchaus schon die Mitwirkung von Laien bei Bischofswahlen. In dieser Hinsicht könnten womöglich die Lateiner vom Osten lernen, dass man genau hinschauen muss, was für Laien wie beteiligt werden.
Frage: Wovon lebt das COr und ist die Finanzierung in Zeiten schwindender Kirchengelder gesichert?
Petrynko: Das Bistum Eichstätt trägt alle Betriebs- und Personalkosten, rund 700.000 Euro im Jahr. Zudem erhält jeder Student ein Stipendium von einem kirchlichen Hilfswerk, einem deutschen Bistum, der US-Bischofskonferenz oder einem privaten Spender.
Frage: Alles wird teurer. Reichen die 700.000 Euro noch? Und wie langfristig ist diese Summe festgesetzt?
Petrynko: Ja, alles wird teurer. Deshalb müssen wir sparen, etwa am Energieverbrauch, aber nicht am Ausbildungsprogramm. Die Summe von 700.000 Euro bekommen wir seit Jahren, da ist keine Erhöhung, kein Inflationsausgleich abzusehen. Das Geld muss jedes Jahr neu bewilligt werden.
Derzeit keine russisch-orthodoxen Studierenden
Frage: Was ist in 25 Jahren falsch gelaufen?
Petrynko: Für uns Ukrainer hat der Krieg ja schon 2014 mit der Krim-Annexion begonnen. Damals hatten wir auch einen Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche hier und somit auch ein Bild des Moskauer Patriarchen Kyrill an der Wand. Bei uns hängen immer Porträts der Vorsteher unserer Studenten im Flur. Kyrill war plötzlich weg. Ein ukrainischer Student hatte ihn verschwinden lassen. Das ist nicht so gut gelaufen, da hing der Haussegen schief, es gab längere Gespräche ... Aktuell hängt Kyrill nicht, da wir keinen russisch-orthodoxen Studenten beherbergen.
Frage: Wie blicken Sie in die Zukunft?
Petrynko: Gerade diese schweren Zeiten machen das Collegium Orientale zukunftsträchtig. Es gilt, fragwürdige Verbindungen zwischen Staat und Kirche im ostkirchlichen Bereich wissenschaftlich aufzuarbeiten. Und es braucht einen Fokus auf die Pastoraltheologie samt psychologischer Weiterbildung. Denn die Kriegsgräuel müssen behandelt werden.
Collegium Orientale Eichstätt
Das Collegium Orientale (COr) wurde am 1. September 1998 als ostkirchliches Priesterseminar des Bistums Eichstätt gegründet. Es befindet sich im Zentrum der Eichstätter Altstadt in einem Flügel des lateinischen diözesanen Priesterseminars. Initiatoren des COr waren der damalige Eichstätter Bischof Walter Mixa und der Gründungsrektor Andreas-A. Thiermeyer, die ostkirchlich sozialisierten Studenten der in Eichstätt ansässigen Katholischen Universität (KU) „Beheimatung, spezielle Studienförderung und eine besondere geistliche Begleitung“ bieten wollten.
Im COr leben aktuell rund 50 Menschen, etwa Priesteramtskandidaten und bereits geweihte Kleriker im Promotionsstudium. Da es in diesen Kirchen verheiratete Priester gibt, leben auch Frauen und Kinder in der Einrichtung. Sie kommen aus der Griechisch-katholischen Kirche und der Ruthenischen Griechisch-Katholischen Kirche der Ukraine, der Melkitischen Griechisch-katholischen Kirche, der Maronitischen Kirche, der Syro-malabarischen und der Syro-malankarischen Kirche Indiens. Diese Kirchen gelten alle als katholische Kirchen, die dem Papst unterstehen; sie pflegen aber eigene Riten.
Darüber hinaus studieren im COr auch Kollegiaten, die einer nicht mit der römisch-katholischen Kirche verbundenen Gemeinschaft angehören, etwa Mitglieder der Ukrainisch-orthodoxen Kirche, der georgischen orthodoxen Apostelkirche und der armenischen apostolischen Kirche. Die Gottesdienste im COr werden überwiegend im byzantinischen Ritus gefeiert. Dafür gibt es die Heilig-Geist-Hauskapelle, ferner noch eine syrische und eine koptische Kapelle.
KNA