Eine Frau sitzt mit ihrem Kind in einem Flüchtlingslager in Tigray (Äthiopien)
Tigray nach dem Friedensabkommen

Hass ist der wahre Feind

Nürnberg ‐ Nach Jahren voller Gewalt, Hunger und Vertreibung ist das Friedensabkommen von Tigray „ein Funke der Hoffnung“. Auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) konnte in die äthiopische Krisenprovinz zurückkehren. Doch die Lage ist weiterhin angespannt.

Erstellt: 14.04.2023
Aktualisiert: 14.04.2023
Lesedauer: 

Die Eritreerin Dunia ist Mutter von zwei Kindern und lebte in Tigray, bis sie und Tausende andere Flüchtlinge das Camp im Lauf des Bürgerkriegs verlassen mussten, der 2020 ausbrach und im Folgejahr heftig eskalierte. „Als im Camp die Gerüchte über den Krieg losgingen, konnten wir nicht schlafen. Dann hörten wir die Schüsse, der Krieg begann. Eines Abends, als wir schon schliefen, wurde über unserem Zelt eine Rakete abgefeuert. Es herrschte großes Chaos. Alles, woran ich denken konnte, waren meine Kinder. Ich habe jede Nacht geweint, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte. Im Camp habe ich Leute getroffen, die später getötet wurden oder verschwanden.

Als tigrayanische Soldaten im Camp auftauchten, zwangen sie die Leute, Sachen für sie zu schleppen. Ein Verwandter weigerte sich und wurde erschossen. Wir waren fünf Monate im Camp. Wegen meines verletzten Beins konnten wir nicht laufen, für den Transport hatte ich kein Geld, also blieben wir und warteten. Es war sehr gefährlich. Jetzt sterben überall Menschen oder verhungern. Unsere einzige Hoffnung sind unsere Gebete, und dass Gott uns Frieden bringt.“

Nachdem sich die äthiopische Armee und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) gewalttätige Kämpfe geliefert hatten, wurde am 2. November 2022 ein Friedensabkommen unterzeichnet. Beide Parteien stimmten einem dauerhaften Stopp der bewaffneten Auseinandersetzungen zu. Mitte Januar hat die TPLF mit der Übergabe ihrer schweren Waffen begonnen. Das Rote Kreuz und UN-Organisationen können seit Ende November wieder Hilfsgüter in die Provinzhauptstadt Mekele liefern. Nur wenige Flüchtlinge sind in den Camps in Tigray geblieben. Die Regierung möchte diese schließen und die Menschen in das neue Camp Alemwach in der Nachbarregion Amhara unterbringen.

Mädchen in einem Lager in Tigray (Äthiopien)
Bild: © JRS Ethiopia

Mädchen in einem Lager in Tigray (Äthiopien)

Solomon Brahane, Landesdirektor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (JRS), nennt das Friedensabkommen „einen Funken Hoffnung“, obwohl die Situation weiterhin äußerst angespannt bleibt. Die Leute sind vorsichtig und flüchten weiter nach Addis Abeba, in die Hauptstadt Äthiopiens, oder in Nachbarregionen. Beha (16) berichtet: „Es war hart in Tigray. Die Soldaten haben uns gestoßen und geschossen. Der Lärm war verstörend. Ich hatte große Angst. Als ich im Camp war, ist jemand vor meinen Augen gestorben. Ich habe meiner Schwester gesagt, dass ich von hier weg muss. Sie gab mir ihr gesamtes Geld, und ich floh. Ich bin sechs Stunden gelaufen, bis ich eine Transportmöglichkeit in die „nächste Stadt“ gefunden habe.“

Ausgabe von Hilfsgütern in Tigray (Äthiopien)
Bild: © JRS Ethiopia

Ausgabe von Hilfsgütern in Tigray (Äthiopien)

Bis zum vorläufigen Rückzug der Hilfsorganisationen im Januar 2022 konnte der JRS die Menschen mit den notwendigsten Dingen versorgen, Nahrung, Kleidung, Hygieneartikel. Im Dezember wurden dann die Auswirkungen des Kriegs auf das lokale Projektbüro in Mai-Aini sichtbar: Die Anlage ist noch da, aber die Ausrüstung wurde gestohlen oder zerstört. In Planung ist nun eine Strategie für ein neues Projekt nahe dem Alemwach Camp. Dafür werden einige Ressourcen benötigt. Aktuell befinden sich wenige Organisationen vor Ort, gleichzeitig sind die Bedürfnisse der Menschen groß: Notfall-Hilfe, psychosoziale Unterstützung für Kinder und Jugendliche, Versöhnungs- und Friedensarbeit.

Auch Tewelte hat es aus Tigray nach Addis Abeba geschafft. Jetzt unterstützt er als Freiwilliger die Arbeit des JRS in der Hauptstadt: „Es gibt viel Hass. Ich merke das auch hier in Addis. Wir müssen das Gute hören, das Gute sehen, Gutes sagen. Nur wenn der Frieden kommt, kommt die Hoffnung.“

Beitrag und Bilder stammen aus dem Magazin Jesuiten Weltweit, Ausgabe Ostern 2023. Wir danken für die Übernahmeerlaubnis!

Mehr zum Thema