Haile Selassie, Kaiser von Äthiopien (Aufnahmedatum unbekannt).
Das offizielle Ende der ältesten Regierungsinstitution der Welt

Vor 50 Jahren wurde die Monarchie in Äthiopien abgeschafft

Addis Abbeba  ‐ Vor rund 3.000 Jahren soll Menelik I., Sohn von König Salomon und der Königin von Saba, den Grundstein für das spätere äthiopische Kaiserreich gelegt haben. Ein glanzvoller Auftakt. Das Ende dagegen verlief schmählich.

Erstellt: 21.03.2025
Aktualisiert: 11.03.2025
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Von Joachim Heinz (KNA)

Es war eine Revolution in Raten, die sich ab Anfang 1974 in Äthiopien vollzog. Am 21. März 1975 – vor 50 Jahren – wurde das letzte Kapitel aufgeschlagen. Medien berichteten an jenem Tag, dass die linksgerichtete Militärregierung die Gründung einer sozialistischen Republik vorbereite und die Monarchie abschaffen wolle. Damit endete die Geschichte der ältesten Regierungsinstitution der Welt.

Als deren Ahnherr galt Menelik I. Der Sohn von König Salomon und der Königin von Saba – beides biblische Gestalten – soll vor 3.000 Jahren den Grundstein für das spätere äthiopische Kaiserhaus gelegt haben. Dem am nächsten kommen noch die japanischen Tennos, die seit dem siebten Jahrhundert vor Christus auf dem Chrysanthementhron sitzen. Im Vergleich dazu wirkt der Kirchenstaat als Vorläufer des Vatikans wie ein Jungspund. Er nahm mit der auf 756 datierten Pippinschen Schenkung Konturen an – selbstredend nach Christus.

Haile Selassie I. wurde Mitte der 1970er-Jahre die zweifelhafte Ehre zuteil, der letzte in der langen Reihe der äthiopischen Kaiser zu sein. Faktisch befand sich der „Auserwählte Gottes“ schon länger auf dem absteigenden Ast. „Der Kaiser hatte sich selbst überlebt“, urteilt dessen Großneffe Asfa-Wossen Asserate rückblickend. Zwar habe der Monarch zusammen mit anderen Äthiopien „aus dem tiefsten Mittelalter direkt ins 20. Jahrhundert gepusht“. Doch nach ersten Unruhen Anfang der 1960er-Jahre ignorierte er laut Asserate Rufe aus seinem Umfeld, einen Wandel hin zu Demokratie und zu einer gerechteren Verteilung von Land einzuleiten.

Es gärte schon länger in Äthiopien, als der Ausfall einer Wasserpumpe in Negele Borane, an der Grenze zu Kenia, im Januar 1974 das Fass zum Überlaufen brachte, wie Asserate in seiner Biographie „Der letzte Kaiser von Afrika“ schreibt. „Die Offiziere der dort stationierten Einheit der Vierten Division verboten den durstigen Soldaten, sich aus dem Offiziersbrunnen zu bedienen. Die Soldaten rebellierten und setzten ihre Offiziere gefangen.“ Nach und nach übernahmen aufständische Militärs das Heft des Handelns. „Der Kaiser protestierte nicht, er schwieg“, so Asserate.

Am 11. September 1974 sorgte die TV-Dokumentation des britischen Journalisten Jonathan Dimbleby über eine Hungerkatastrophe in dem nordostafrikanischen Land weltweit für Furore. Meuternde Soldaten zwangen den Kaiser, sich den Film anzusehen. Tags darauf wurde der 82-Jährige in die Palastbibliothek geführt, wo ihm ein Offizier eine Proklamation vorlas.

Haile Selassie habe „die Autorität, die Würde und die Ehre des Throns für seine persönlichen Ziele missbraucht“, hieß es darin. „In der Folge herrschten in unserem Land Armut und Verfall. Nun ist der Monarch in ein Alter gekommen, in dem er nicht mehr in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte auszuführen. Deshalb wird Seine Majestät, Haile Selassie I., mit sofortiger Wirkung des Amtes enthoben und durch eine provisorische Militärregierung ersetzt.“

Als der Kaiser auf dem Zenit seiner Macht stand, genoss er auch im Ausland höchstes Ansehen. Gern schmückte man sich mit dem späteren Mitbegründer der Organisation für Afrikanische Einheit – heute: Afrikanische Union – und Regierungschef einer der ältesten Nationen Afrikas. Das zeigte sich beispielsweise am 8. November 1954, als Haile Selassie der noch jungen und vom Zweiten Weltkrieg gezeichneten „Bonner Republik“ als erster Staatsgast seine Aufwartung machte.

Das Ende der Monarchie überlebte der abgesetzte Kaiser nur um wenige Monate. Am 27. August 1975 starb der „erhabene Wohltäter“, vermutlich durch fremde Hand, im Alter von 83 Jahren. In den Folgejahren etablierte Mengistu Haile Mariam eine sozialistische Diktatur, die bis 1991 für Hunderttausende Äthiopier Tod und Terror bringen sollte.

Ein bizarres Nachleben bescherte dem Kaiser eine religiöse Bewegung auf den karibischen Inseln. Die vor allem durch die Reggae-Musik bekannt gewordenen „Rastafari“ leiteten ihre Bezeichnung vom ursprünglichen Namen und Titel des letzten äthiopischen Kaisers ab. Der Sohn eines kaiserlichen Gouverneurs („Ras“) war am 23. Juli 1892 als Tafari Makonnen zur Welt gekommen.

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