Gedanken und Gebete – Schießerei an US-Schule zeigt gesellschaftliche Spaltung
Washington D.C. ‐ Drei Monate, 13 Schulschießereien. Diesmal ereignete sich die Bluttat an einer christlichen Privatschule. Und der Täter war eine Trans-Person.
Aktualisiert: 31.03.2023
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Barry C. Black betete mit den Senatoren nach dem 11. September 2001, zu Beginn des Irak-Kriegs, beim Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump und an fast jedem anderen Sitzungstag, seit er 2003 das Amt des Kaplans im US-Senat übernommen hatte. Dabei vermied der überparteiliche Seelsorger im Kongress stets sorgfältig, Schlagzeilen zu machen. Doch am Dienstag konnte er nicht anders.
„Herr, wenn Babys sterben in einer kirchlichen Schule, wird es Zeit, mehr zu tun, als an sie zu denken und für sie zu beten“, redete der Geistliche den mächtigen Senatoren ins Gewissen. „Erlöse unsere Senatoren aus der Gelähmtheit“, flehte Black den Segen von oben herbei, „und benutze sie, die bösen Kräfte zu bekämpfen, die versuchen, uns zu verschlingen“.
So klingt nicht einer, der viel Vertrauen in die 100 Gesetzgeber der Kammer hat, nach der jüngsten Massenschießerei an einer christlichen Grundschule vor den Toren Nashvilles im US-Bundesstaat Tennessee das Richtige zu tun. Dort hatte die Polizei am Montag um 10.13 Uhr ein Notruf aus der privaten „Covenant School“ erreicht, die Kinder bis zur 6. Klasse besuchen.
Für ein Schulgeld von jährlich 16.000 US-Dollar werden die etwa 200 Schüler und Schülerinnen dort nach einem christlich-konservativen Weltbild erzogen. Auch der Schütze, der bewaffnet mit zwei Schnellfeuergewehren und viel Munition in das Gebäude eingedrungen war, soll hier einmal Schüler gewesen sein. Warum er drei neunjährige Kinder, die Tochter des Pastors, die Schulleiterin und einen Mitarbeiter der Küche erschoss, blieb bislang unklar.
Die Frage wird auch der 28-jährige Täter selbst nicht mehr beantworten können, der als Mädchen zur Welt gekommen war und sich zuletzt „Aiden“ nannte. Zwei Beamte der herbeigeeilten Polizei töteten ihn 17 Minuten, nachdem er das Gebäude betreten hatte - das blutige Ende der 13. Schulschießerei allein in diesem Jahr in den USA.
Polizeichef John Drake sagt, im Auto des mutmaßlichen Mörders seien ein Manifest und eine detaillierte Karte gefunden worden. Der Angreifer habe gezielt gehandelt und hatte wohl auch vor, weiter in eine Mall zu ziehen und Familienangehörige zu erschießen. Er sei „auf eine Konfrontation“ mit der Polizei eingestellt und darauf vorbereitet gewesen, „noch mehr Unheil anzurichten“.
Aiden hatte vor der Bluttat vom Schulparkplatz aus mit einer Freundin aus alten Schultagen Kontakt aufgenommen. „Ich plane, heute zu sterben“, schrieb er; dies sei sehr ernst gemeint. „Du wirst vermutlich in den Nachrichten davon hören.“ Als die junge Frau endlich die Polizei erreichte, war das Verbrechen bereits geschehen.
US-Präsident Joe Biden wandte sich von Kalifornien aus an die Nation und nannte die Bluttat „krank“. Er sei entschlossen, Angriffswaffen und Magazine mit hoher Kapazität zu verbieten. Biden forderte den Kongress auf, endlich zu handeln. Doch die Chancen dafür stehen angesichts der Mehrheitsverhältnisse gleich null; was Kaplan Black wohl dazu veranlasste, Unterstützung von oben zu erflehen.
Aus Sicht vieler Republikaner ist die Tragödie von Nashville nichts anderes als ein Vorwand, gesetzestreuen Amerikanern ihr Recht zu nehmen, eine Waffe zu tragen. „Mich ärgert es wirklich, wenn ich sehe, wie Leute das politisieren“, sagt etwa die Nummer Zwei im Repräsentantenhaus, Steve Scalise, der es eigentlich besser wissen müsste. 2017 war der Republikaner selbst Ziel einer Schießattacke geworden.
Für seine Parteigenossin Marjorie Taylor Greene hingegen ist die geschlechtliche Identität des Täters das Problem. „Wie viele Hormone wie Testosteron und Medikamente gegen psychische Erkrankungen hat der Transgender-Schütze in Nashville genommen?“, polemisierte die Rechtsaußen aus dem benachbarten Georgia. „Jetzt können alle aufhören, Waffen die Schuld zu geben.“
Der Bischof von Nashville, J. Mark Spalding, hielt sich anders als Senats-Kaplan Black mit Appellen an die Politik zurück. Stattdessen bot er bei einer Messe Gebete und Gedanken an. „Lasst uns beten für die Opfer, deren Familie und die Covenant-Presbyterian-Gemeinschaft“, so der katholische Bischof. kna