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Tourismus – Freund oder Feind der Armen?

Hilfswerke ‐ Was haben Telekom-Chef Timotheus Höttges und Enthüllungsjournalist Günter Wallraff gemeinsam? Beide halten derzeit nicht viel von Urlaub in der Türkei. Irgendwie ist Reisen politischer geworden.

Erstellt: 16.03.2018
Aktualisiert: 20.08.2024
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„Die beste Bildung findet ein gescheiter Mann auf Reisen“ wusste bereits Johann Wolfgang Goethe. Mitunter jedoch läuft im Tourismus unserer Tage einiges aus dem Ruder, findet etwa Harald Zeiss von der Hochschule Harz. Eislaufen auf den Malediven, Golf spielen in der Wüste oder Panzerfahren in Mecklenburg: „Nicht alles, was man machen kann, sollte man auch umsetzen“, findet der Wissenschaftler. Wo aber verlaufen die Grenzen, was ist gescheit, was nicht? Da befindet sich die Branche offenbar selbst noch auf der Suche – Reisedauer unbekannt.

Am Freitag trafen sich beim „Unternehmerforum“ des katholischen Hilfswerks Misereor Vertreter aus Wirtschaft und Gesellschaft in der Bonner Telekom-Zentrale, um sich über die Zukunft des Tourismus auszutauschen. Gleich zu Beginn ließ Hausherr Timotheus Höttges verlauten, er reise derzeit nicht in die Türkei. Das dürfte den Telekom-Chef mit Enthüllungsjournalist Günther Wallraff verbinden.

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Der Reiseunternehmer Johannes Zurnieden über Tourismus und Terrorismus.

Der riet in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ von einem Strandurlaub im Reich von Recep Tayyip Erdogan ab, fügte allerdings hinzu: Diejenigen, die sich für Menschenrechte einsetzten, sollten hinfahren „und mit denen Kontakt aufnehmen, die in Bedrängnis sind und verfolgt werden“.

Ein pauschaler Boykott, das gab der Hauptgeschäftsführer von Misereor Pirmin Spiegel zu bedenken, trifft ohnehin meist jene Menschen, deren Existenzgrundlage der Fremdenverkehr ist. Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern ist der Tourismus eine wichtige Stütze der Wirtschaft. Johannes Zurnieden, Gründer des Kreuzfahrtanbieters Phoenix Reisen und Mitinitiator des Unternehmerforums, ergänzt, Tourismus sei „ein Treiber für mehr soziale Gerechtigkeit“.

Das Geschäft mit dem Fernweh jedenfalls boomt: Weltweit gingen im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Menschen auf Reisen; der Tourismus erzeugte zehn Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Ein Ende des Wachstums ist nicht in Sicht. Für das Jahr 2030 rechnen Experten mit 1,8 Milliarden Touristen; längst haben die Chinesen die Deutschen als Reiseweltmeister abgelöst. Asien gilt als wichtigster Wachstumsmarkt, wie Stefanie Berk, Vorsitzende der Geschäftsführung von Thomas Cook Touristik sagt. Sowohl was die Zahl der Reisenden anbelangt – als auch die Möglichkeiten einer weiteren Erschließung von Feriengebieten.

Jetzt schon zu besichtigen ist das beispielsweise in Kambodscha, demnächst könnte Myanmar dazukommen: Fast 2.000 Kilometer Küste und bislang so gut wie kein Ressort. Da sind Exklusivität und Exotik garantiert. Manch einem wird bei der Jagd nach dem ultimativen Traumurlaub allerdings mulmig zumute. Der Arzt und Kabarettist Eckhart von Hirschhausen wünscht sich mehr Aufklärung – die auch gern wehtun darf.

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Misereor-Chef Pirmin Spiegel zu den Chancen des Tourismus für Entwicklung.

„Warum wird Kerosin nicht besteuert?“, fragt er. Würde zudem der Verbrauch an Flugbenzin transparenter als bisher dargestellt, käme manch einer vielleicht ins Grübeln. „Es muss ja nicht zwingend Mauritius sein.“ Den persönlichen CO2-Ausstoß zu senken: Das wäre im Kampf gegen den Klimawandel zumindest eine Überlegung wert. „Ökologie ist kein Spaßverderber, sondern Zukunftssicherung“, betont der Comedian. Viele Veranstalter hätten kindertaugliche Reisen im Angebot. „Wir aber sollten darauf achten, dass unser Reiseverhalten auch enkel- und urenkeltauglich ist.“

Es gibt durchaus Ansätze, die Bedürfnisse von Gästen, Gastgebern und Umwelt in Einklang zu bringen, wie Valerio Paucarmayta Tacuri von Zentrum für regionale andine Studien CBP in Peru erläutert. Er und seine Mitstreiter drängen auf mehr Respekt vor der lokalen Kultur und Umwelt sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen vor Ort.

Insgesamt jedoch, so findet Forscher Zeiss, ist noch reichlich Luft nach oben. Er fordert mehr Effizienz aufseiten der Anbieter und ein besseres Management etwa beim Ressourcenverbrauch in den Zielländern. Verändern müsse sich aber auch der Kunde. Unter seinen Studenten zähle immer noch die „Instagram-Fähigkeit“ von Urlaubsorten mehr als Fragen von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit. Dazu Goethe: „Um zu begreifen, dass der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.“

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