Protest-Pinselei "Tourists go home!" - "Touristen haut ab nach Hause" - auf einer Hauswand in Santiago de Compostela (Spanien) am 30. Mai 2024.
Aufregung wegen „Overtourism“ nimmt groteske Züge an

Krach um Lärm in spanischem Wallfahrtsort Santiago de Compostela

Santiago  ‐ Dass übermäßiger Tourismus Probleme mit sich bringt, ist nicht neu. In Santiago de Compostela wird der Streit darüber indes immer erbitterter. Nun sollen Dezibelmessungen lärmenden Gästen Einhalt gebieten.

Erstellt: 20.08.2024
Aktualisiert: 20.08.2024
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Von Andreas Douve (KNA)

Santiago de Compostela ächzt unter dem anhaltenden Massentourismus. Für Bewohner des weltberühmten spanischen Wallfahrtsortes sind die Grenzen der Toleranz längst überschritten. Der Krach um den Lärm von Jakobspilgern und gewöhnlichen Touristen geht nun in eine neue Runde - mit immer groteskeren Zügen. Künftig sollen Lärmmessgeräte zum Einsatz kommen.

Denn beim Einzug in die Stadt im Nordwesten Spaniens ist manchen Pilgern nichts heilig. Lauthals hört man sie jubilieren und singen, selbst zu frühester Morgenstunde. Vereinzelt kommen in organisierten Gruppen sogar musikalische Begleitung durch Instrumente wie Trommeln und Flöten hinzu. In den Altstadtgassen hallt der Lärm besonders wider. Für die Anwohner gibt es kein Entrinnen; sie werden um Schlaf und Ruhe gebracht. Und um Konzentration, denn manche arbeiten im Home-Office.

Nun tragen die Beschwerden der Bewohner Früchte. Die Stadtverwaltung von Santiago de Compostela hat bekanntgegeben, dass voraussichtlich ab Ende August oder Anfang September zehn „Informations-Erteiler“ im historischen Bezirk zu Fuß unterwegs sein werden. Man wird sie an ihren Schutzwesten, Tablets und Rucksäcken erkennen. Mit im Gepäck werden sie Lärmmessgeräte haben, die wichtigsten Bestandteile ihres Equipments.

Damit sollen sie die Dezibelwerte von Pilger- und Touristengruppen kontrollieren. Beim Überschreiten bestimmter Grenzen sollen die Verursacher des Lärms zwar zurechtgewiesen und informiert, aber zunächst nicht bestraft werden. Zudem sind die „Informations-Erteiler“ dazu abgestellt, Besuchern Hinweise zu anderen möglichen Zielen zu geben als dem wichtigsten, nämlich dem Kathedralplatz, der Praza do Obradoiro. Damit, so der Plan, könnte der Massenandrang zumindest ein wenig entzerrt werden. Laut einem Beitrag des spanischen Fernsehsenders Tele 5 ist die Maßnahme mit einem Etat von knapp 100.000 Euro verabschiedet worden und zählt zu einer Kampagne mit dem Titel „Fragil“.

Gelder zurück in die Stadtkasse spülen derweil Bußgelder, die von der Polizei verhängt werden. Im laufenden Jahr sind in Santiago de Compostela laut einem Bericht der Zeitung „ABC“ Geldstrafen gegen fast 400 Personen wegen „unzivilisierten Verhaltens“ verhängt worden. Ob es sich dabei um Jakobspilger, Touristen oder Einheimische handelte, ist im Detail nicht ersichtlich.

202 Strafen trafen jene, die beim Urinieren auf der Straße erwischt wurden. 152 Mal ging es um den Konsum alkoholischer Getränke im öffentlichen Raum, 31 Mal um Gesänge und Gegröle, siebenmal um die unerlaubte Benutzung von Megafonen. Dies kommt vor allem bei internationalen Touristengruppen vor. Vorgeschrieben für Reisegruppen und ihre Führer ist eigentlich der Einsatz von Headsets. Die Verstöße können teuer werden: bis zu 750 Euro für den Alkoholgenuss, zwischen 60 und 1.500 Euro für jedwede Art von Lärmbelästigung.

Pilger und Touristen, so schwebt es der Stadtverwaltung vor, sollten aus alledem entsprechende Konsequenzen ziehen: Die Gäste sind angehalten, Santiagos Flair so still wie möglich zu genießen – und auf die glückliche Ankunft nur in den Kneipen anzustoßen.

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