Madagaskar wählt einen neuen Präsidenten
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Madagaskar wählt einen neuen Präsidenten

Madagaskar ‐ „Insgesamt instabil“ nennt das Auswärtige Amt die politische Lage auf Madagaskar. Zu den Präsidentschaftswahlen am Mittwoch könnten sich Proteste und Unruhen mehren. Beobachter sehen ein „Kräftemessen alter Eliten“.

Erstellt: 07.11.2018
Aktualisiert: 15.11.2022
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Als „insgesamt instabil“ bezeichnet das Auswärtige Amt die politische Lage auf Madagaskar. Zu den Präsidentschaftswahlen am Mittwoch könnten sich Proteste und Unruhen mehren. Beobachter sehen ein „Kräftemessen alter Eliten“.

Im kürzlich veröffentlichten Welthunger-Index rangiert Madagaskar auf dem viertletzten Platz. Dabei machen die Experten weltweit deutliche Fortschritte in Sachen Nahrungsversorgung aus. Auf solche Verbesserungen wartet der afrikanische Tropenstaat – obwohl er ein beliebtes Urlaubsparadies ist.

Am Mittwoch könnten auf der Insel vor der Küste Ostafrikas die Weichen neu gestellt werden. Nach einem Jahrzehnt politischer Unsicherheit wählen die Madegassen ein neues Staatsoberhaupt. Beobachter sprechen von einer wegweisenden Entscheidung; die Lage sei angespannt. Doch der Urnengang ist ein Kräftemessen alter Eliten.

Ins Rennen gehen neben dem seit 2014 Amtierenden Hery Rajaonarimampianina (59) auch dessen Vor- und Vorvorgänger Andry Rajoelina (44) und Marc Ravalomanana (68). Die Machtprobe der beiden letzten Präsidenten hatte die Tropeninsel mit ihren 26 Millionen Einwohnern in den vergangenen zehn Jahren maßgeblich zurückgeworfen: Nur mit Mühe konnte Ravalomanana 2002 die Wahlen für sich entscheiden. 2009 wurde er schließlich vom Militär gestürzt und Rajoelina, ein früherer Discjockey, als Präsident der Übergangsregierung eingesetzt. Mit 34 Jahren wurde Rajoelina damals jüngster Präsident Afrikas.

Seit Erlangung der Unabhängigkeit 1960 waren Machtwechsel in der ehemaligen französischen Kolonie häufig von Gewalt und vom Eingreifen der Armee bestimmt. Beobachter sehen die bevorstehenden Wahlen demzufolge als „Test für Madagaskars brüchige Demokratie“. In der Hauptstadt Antananarivo kam es im Vorfeld zu Protesten. Insgesamt stellen sich 36 Kandidaten zur Wahl. Als Favoriten gelten die drei früheren Amtsinhaber.

Trotz seines Status als beliebtes Touristenziel gehört Madagaskar zu den ärmsten Staaten der Welt. Knapp 80 Prozent der Einwohner müssen von weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag leben. Die politische Krise schwächte zuletzt die Ernährungssicherheit und das öffentliche Gesundheitssystem. Darüber hinaus sind Berichten zufolge Kinderarbeit und -heirat immer noch verbreitete Probleme. Laut Schätzungen bekennen sich jeweils knapp die Hälfte der Madegassen zu Naturreligionen und zum Christentum; etwa sieben Prozent sind Muslime.

„Die Wirtschaft muss schleunigst wieder angekurbelt werden“, erklärte der Sprecher von Ex-Präsident Ravalomanana, Peter Mann, in Südafrika. Es brauche Notmaßnahmen am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und im Gesundheitsbereich. Zudem müsse „die grassierende Korruption angepackt werden“, so Mann.

Amnesty International verurteilte am Wochenende zudem eine zunehmende Willkür in Madagaskars Justiz. Tausende Aktivisten, darunter vor allem Umweltschützer, würden in den Gefängnissen des Landes festgehalten, ohne verurteilt zu sein. Die Amnesty-Sprecherin für das Südliche Afrika, Muleya Mwananyanda, forderte Reformen vom künftigen Präsidenten. Die Wahlen seien „eine einmalige Gelegenheit für den Wahlsieger“, die Menschenrechtsvergehen jüngerer Zeit zu beenden, so Mwananyanda.

Madagaskars politische Krise hatte sich auch dadurch verschärft, dass im Frühjahr beschlossene Wahlgesetze für Kritik der Opposition sorgten; es gab blutige Unruhen. Die Höchstrichter des Landes ordneten die Bildung einer Einheitsregierung und Neuwahlen an. Anfang Juni trat Regierungschef Olivier Mahafaly Solonandrasana zurück.

Das Auswärtige Amt warnt Urlauber, die politische Lage sei „insgesamt instabil“. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen am Mittwoch könnten „die politischen Spannungen steigen und sich Proteste und Unruhen mehren“.

Im Oktober hatte Papst Franziskus Madagaskars katholische Jugend zu sozialem Engagement aufgerufen. Die jungen Menschen sollten ihre Träume realisieren und im Streben nach Gemeinwohl für die Zukunft ihres Landes arbeiten. Inwieweit die Wahl des Staatspräsidenten zu einer Stabilisierung des Inselstaates – auch zugunsten der jungen Generation – beitragen wird, bleibt abzuwarten.

Von Markus Schönherr und Sabine Kleyboldt (KNA)

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