Wie die Erdölindustrie Perus Regenwald zerstört
Lima ‐ Die jahrzehntelange Erdölförderung im peruanischen Amazonasgebiet hat schwere Schäden hinterlassen. Viele Menschen sind gesundheitlich belastet. Indigenen-Verbände fordern energische Gegenmaßnahmen.
Aktualisiert: 15.11.2022
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Die jahrzehntelange Erdölförderung im peruanischen Amazonasgebiet hat schwere Schäden hinterlassen. Viele Menschen sind gesundheitlich belastet. Indigenen-Verbände fordern energische Gegenmaßnahmen.
„Zuerst war da dieser fürchterliche Gestank, der eines Nachts vom Gewässer heraufzog“, erzählt die 32-jährige Yanua Yampas aus der Siedlung Nazareth am peruanischen Fluss Chiriaco. „Als die Männer frühmorgens zum Fischen fahren wollten, sahen sie den Grund dafür: Große Erdöllachen zogen den Fluss hinunter.“ Eine alte Pipeline war gebrochen, das Öl sprudelte heraus. Ingenieure der staatlichen Erdölgesellschaft Petroperu versprachen der Dorfbevölkerung gutes Geld für jeden Eimer wieder eingesammeltes Erdöl. Erwachsene, Jugendliche, sogar Kinder, meldeten sich und sprangen ohne jede Schutzkleidung ins verseuchte Wasser. Am Ende des Tages waren sie selbst schwarz von Erdöl.
„Heute, drei Jahre später, haben viele Kinder immer noch Ausschläge und Kopfschmerzen“, sagt Yampas. Sie gehört dem Volk der Awajun an und arbeitet für die Indigenen-Vereinigung ORPIAN. Der peruanische Staat habe den Schaden nie richtig behoben, meint sie. „Unsere Mais- und Bananenfelder unten am Fluss tragen viel weniger Früchte seit dem Leck.“
Ermilda Tapuy hat schon als kleines Mädchen gesehen, wie die Erdöllachen ihren Fluss verschmutzen. Die Frau Ende 40 ist Vertreterin der Indigenen-Organisation OPIKAFPE. Genauso alt wie die Aktivistin ist die Ölförderung im peruanischen Regenwald. Obwohl Peru nicht viel eigenes Erdöl besitzt, hält sich die Ideologie der Energiesouveränität. Das Land soll sich selbst mit dem begehrten Rohstoff versorgen können – auch wenn das bedeutet, ihn durch viele Kilometer unberührten Regenwald zu fördern. Vor vier Jahrzehnten wurde eine 1.000 Kilometer lange Pipeline quer durch das Amazonas-Gebiet bis an die peruanische Küste gebaut. Inzwischen ist sie an vielen Stellen rostig und marode. Es vergeht kaum ein Monat ohne neue Lecks.
Die entstehen angeblich nicht wegen der alten Rohre, sondern durch Sabotage der Indigenen, hört man immer wieder aus dem Erdöl- und Bergbauministerium in Lima. Die Ureinwohner zerstörten die Pipeline, um danach gut bezahlte Jobs bei der Sanierung zu bekommen. „Das ist eine perfide Ausrede des Ministeriums“, hält Carlos Sandi von der Indigenen-Gruppe FECONACOR dagegen. „Es wäre doch Unsinn, uns und unsere Umwelt zu zerstören, um an Jobs zu kommen. Wir sind doch die ersten Opfer bei einem Erdölleck.“ Der Staat solle besser so schnell wie möglich die kaputten Rohre reparieren, statt absurde Beschuldigungen zu erheben.
Die Fronten sind verhärtet zwischen den Indigenen und dem peruanischen Staat, der die Erdölförderung gemeinsam mit privaten Firmen betreibt. Die bleibenden Schäden indes sind umfangreich dokumentiert und unzweifelhaft. Eine vom peruanischen Gesundheitsministerium vorgenommene toxikologische Studie in den indigenen Gemeinden der langjährigen Fördergebiete ergab erschreckende Ergebnisse: 30 Prozent der Bevölkerung weisen zu hohe Arsen- und Quecksilberwerte auf, bei zehn Prozent liegen die Werte für Barium, Blei und Cadmium über den Grenzwerten.
Auf Druck der Indigenen hat der Staat in ein Modell der „interkulturellen Gesundheitsversorgung“ eingewilligt, dieses aber bisher nicht umgesetzt. Die betroffenen Personen wissen zwar nun, dass sie zu viel Schwermetalle im Blut haben, eine ärztliche Behandlung haben sie bisher aber nicht erhalten. Indigenen-Anführer Sandi pocht auf eine nachhaltige Lösung, damit keine Schadstoffe mehr in den Boden und die Flüsse gelangen: „Wir verlangen eine Sanierung der betroffenen Stellen und eine Entschädigung.“