Wie Flüchtlinge in Malawi mithilfe der Jesuiten zu neuer Selbstständigkeit finden
Flucht und Asyl ‐ Jacques Baeni lebt seit 2014 im Flüchtlingscamp Dzaleka in Malawi. Mithilfe des Jesuit Worldwide Learning-Programms bildete Baeni sich fort und unterstützt nun andere Flüchtlinge im Camp - insbesondere Frauen.
Aktualisiert: 06.02.2023
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Jacques Baeni lebt seit 2014 im Flüchtlingscamp Dzaleka in Malawi. Der 34-jährige Jurist musste seine Heimat, die Demokratische Republik Kongo, verlassen, weil er dort als Menschenrechtler arbeitete und in Gefahr geriet. Nun lebt er mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in dem Flüchtlingscamp, das bereits seit 20 Jahren existiert und rund 40.000 Menschen aus dem Kongo, Ruanda, Burundi, Somalia und Malawi beherbergt. Mithilfe des Jesuit Worldwide Learning-Programms bildete Baeni sich fort und unterstützt nun andere Flüchtlinge im Camp - insbesondere Frauen.
Frage: Herr Baeni, wie sind Sie in das Dzaleka Camp in Malawi gekommen?
Jacques Baeni: Ich komme ursprünglich aus der Demokratischen Republik Kongo und habe dort als Menschenrechtsaktivist gearbeitet. Ich bin von zuhause aus Sicherheitsgründen geflohen. Als ich im Februar 2014 nach Malawi kam, wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte. Damals konnte ich kein Wort Englisch. Flüchtlinge haben hier wenig Zugang zu Arbeitsmöglichkeiten und ihre Bewegungsfreiheit ist sehr begrenzt. Ich fand dann über das Jesuit Worldwide Learning (JWL) eine Möglichkeit, mich auf Französisch in Community Management weiterzubilden. Der Kurs dauerte sechs Monate und er inspirierte mich wirklich, Wege zu finden, wie man mit lokalen Ressourcen das Leben von Menschen in dem Flüchtlingscamp verbessern kann.
Frage: Wie ging es danach weiter?
Baeni: Nach diesem Kurs habe ich mich bei JWL zum Online-Diplom in Sozialer Arbeit eingeschrieben. Danach habe ich mich in verschiedenen Feldern weitergebildet wie Konfliktlösung und Kommunikation. Mit diesen Kenntnissen konnte ich schließlich eine Organisation gründen, mit der wir versuchen, Frauen im Camp mehr Selbstständigkeit zu ermöglichen. Wir bringen ihnen bei, landwirtschaftlich zu arbeiten.
Die Frauen empfangen wie alle Flüchtlinge im Camp humanitäre Hilfe vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). Von dem Hilfswerk erhalten sie die Grundversorgung, aber wenn sie darüber hinaus etwas brauchen, wird es schwierig. Manchmal kommt die humanitäre Hilfe auch verspätet an und das hat verheerende Auswirkungen auf die Familien. Ich hatte daraufhin die Idee, dass die Frauen Kaninchen züchten könnten. Kaninchenfleisch ist gesund und die Leute im Camp essen es gerne. Die Tiere sind auch einfach zu füttern. Und wenn die Kaninchen Junge bekommen, können die Frauen sie verkaufen.
Frage: Neben den Frauen helfen sie auch den Studenten im Camp.
Baeni: Ja, wenn Sie sich in dem Online-Studium eingeschrieben haben, mache ich mit ihnen Orientierungskurse. Bevor sie loslegen und den ersten Kurs besuchen, versuchen wir, ihre Schreibfähigkeiten auf dem Computer und ihr sprachliches Ausdrucksvermögen in Wort und Schrift zu verbessern. Wir führen sie ein in jesuitische Werte und Bildung. Und wir führen sie ein in den Aufbau des JWL-Programms.
Dieser Unterricht basiert auf Werten und verändert das Leben dieser Menschen. Das Programm hat auch mich persönlich verändert, meine Familie und die ganze Gemeinschaft im Camp.
Frage: Wie einfach oder schwer fällt es den Schülern bzw. Studenten, mit dem PC umzugehen?
Baeni: Einige hier im Camp lernen den Umgang mit dem Computer in einem sechsmonatigen Computerkurs. Sie schaffen das gut. Es gibt aber auch manche, die den Umgang mit dem Computer nicht gelernt haben, mit denen müssen wir hart arbeiten. Einmal hatte ich einen Schüler aus dem Kongo, dessen Hände verstümmelt wurden und der nur noch einen Finger hatte. Er brauchte natürlich besondere Unterstützung.
Frage: Haben Sie den Eindruck, dass die Online-Kurse den Unterricht effizienter machen?
Baeni: Auf jeden Fall. JWL bietet mittlerweile den 9. Jahrgang des Lernprogramms an. Früher hatte jeder Kurs rund 25 Studenten. Seit dem 5. Kurs gibt es jedes Jahr 35 Studenten. Und die Zahl steigt weiter. Im 8. Kurs waren es 50, jetzt im 9. Kurs haben wir 42 Studenten. Die Studenten kommen aus dem Kongo, Ruanda, Burundi, Somalia und Malawi. Die am weitesten verbreitete Sprache im Camp ist Suaheli, Englisch ist die offizielle Sprache.
Frage: Wo gehen Ihre Kinder zur Schule?
Baeni: Meine Kinder lernen in einer privaten Schule, die von Flüchtlingen gegründet wurde. Denn nicht alle Flüchtlinge haben die Möglichkeit, die Bildungsmaßnahmen des UNHCR wahrzunehmen. In der Privatschule lernen sie Englisch, Mathe, soziale Fähigkeiten, und machen Bibelkunde.
Frage: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Baeni: Im Moment mache ich ein Bachelor-Studium in Öffentlicher Verwaltung. Ich wollte erst Soziale Arbeit weitermachen und mich auf psychische Gesundheit spezialisieren. Aber das Programm gibt es hier so nicht. Immerhin konnte ich letztes Jahr für sechs Wochen in die USA reisen, um an dem Stipendienprogramm Mandela Washington Fellowship teilzunehmen.
Es ist nicht gerade meine Wunschvorstellung, hier in Malawi zu bleiben. Die Bedingungen im Camp sind nicht gut. Hier sehen wir keine gute Zukunft für uns. Mir bleiben zwei Möglichkeiten: Wenn ich zuhause sicher bin, kann ich zurück in die Demokratische Republik Kongo gehen. Die zweite Möglichkeit ist es, einen Resettlement-Platz in einem dritten Land zu finden, wo ich mit meiner Familie langfristig gut leben kann. Mein Traum ist es, in sozialer Arbeit und psychologische Gesundheit zu promovieren. Wenn ich dann zurück nach Afrika komme, dann, um mit Flüchtlingen zu arbeiten.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
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