Anne Harms von der kirchlichen Hilfsstelle Fluchtpunkt, die Rechtsberatung für Flüchtlinge anbietet, nennt zwei weitere Bereiche, die aktuell zu Problemen führen. Wegen der Corona-Pandemie hatte das Bamf Abschiebungen in Dublin-Fällen ausgesetzt – diese Regelung werde nun nach und nach aufgehoben. Das Bamf vertritt die Auffassung, die Aussetzung führe zu einer Unterbrechung und einem Neubeginn der Überstellungsfrist. „die Rechtsprechung entwickelt sich aber deutlich gegen diese These“, sagt Harms.
Zudem seien in ersten Fällen Abschiebungen für die Dauer eines Kirchenasyls ausgesetzt worden. Auch hier sei fraglich, ob dieser Schritt rechtlich zulässig sei, erklärt die Expertin. Dies gilt bereits für die Verlängerung der sogenannten Überstellungsfrist auf 18 Monate. Zugleich betont sie: „Die Dublin-Verordnung ist nicht dafür gedacht, Kirchengemeinden abzustrafen.“
Die Zahlen haben sich im laufenden Jahr stabilisiert, Tendenz sinkend: Zum 11. August meldete die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirchenasyl 354 Fälle. Betroffen waren demnach 543 Personen, davon 117 Kinder. Zugleich führen immer weniger Fälle zu einem regelrechten Asylverfahren: Im vergangenen Jahr wurde laut „Spiegel“ für 14 der damals 464 im Kirchenasyl befindlichen Personen ein Asylverfahren aufgenommen.
Der Eindruck, dass Härtefälle nicht geprüft würden, werde den Bemühungen der Behörden nicht gerecht, sagte Bamf-Vizepräsidentin Ursula Gräfin Praschma der KNA. „Die verantwortlichen Mitarbeiter würdigen die Sachverhalte individuell und sehr sorgfältig.“ Dass weniger Kirchenasyl-Fälle als Härtefälle anerkannt würden, liege daran, dass das Bamf gelernt habe: „Wir erkennen Härtefälle schon im Asylverfahren an“, betonte Praschma. Und: Das Bundesamt sei für Gespräche offen.
Die Kirchen bekennen sich weiterhin zum Kirchenasyl. Es sei schwieriger geworden, sagt der Münchner Kardinal Reinhard Marx: „Aber wir halten daran fest“.