Ein Holzklotz mit der Aufschrift "Würde. Unantastbar." am 12. August 2024 im Büro der Beratungsstelle für Kirchenasyl in einer Kirchengemeinde in Bonn.
Erster Fall in Bremen

Evangelische Kirche kritisiert versuchte Räumung von Kirchenasyl

Bremen  ‐ Tabubruch oder notwendige Härte: Ein Pastor und rund 100 Unterstützer haben die nächtliche Abschiebung eines Somaliers aus einer Kirche in Bremen verhindert. Die Landeskirche übt Kritik an den Behörden.

Erstellt: 04.12.2024
Aktualisiert: 04.12.2024
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Von Michael Althaus (KNA)

Die Bremer Behörden haben in der Nacht zu Dienstag vergeblich versucht, ein Kirchenasyl zu räumen. Sie wollten einen 25-jährigen Somalier, dem die evangelische Zionsgemeinde Unterschlupf gewährt, festnehmen und abschieben. Der Versuch scheiterte am Widerstand des Pastors und rund hundert Menschen, die sich spontan mit dem Somalier solidarisierten. Laut einem Bericht von „Radio Bremen“ blockierten sie den Zugang zur Kirche, in der sich der Mann aufhielt. Dutzende Menschen hätten in Schlafsäcken in dem Gotteshaus übernachtet, um einen möglichen weiteren Abschiebeversuch zu verhindern.

Angeordnet hatte die Abschiebung laut dem Bericht das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Der 25-Jährige solle nach Finnland überstellt werden, da er dort über Russland erstmals in die EU eingereist war. Die Behörde berufe sich dabei auf das Dublin-Verfahren, das die Zuständigkeiten bei Asylverfahren innerhalb der EU-Staaten regelt. Den nächtlichen Abschiebeversuch habe das Bremer Migrationsamt – unterstützt von der Polizei – organisiert.

Der Somalier wolle allerdings keinesfalls zurück nach Finnland, sagte sein Anwalt „Radio Bremen“. Er habe dort Gewalterfahrungen durch die Behörden machen müssen. Auch der Pastor der Zionsgemeinde, Thomas Lieberum, ist dem Bericht zufolge überzeugt, dass der 25-Jährige in Deutschland deutlich besser aufgehoben sei: „Er hat hier Freunde und Familie, fühlt sich sicher“.

Lieberum sieht in dem Vorgehen einen Tabubruch. „In Bremen ist noch nie ein Kirchenasyl gebrochen worden, doch momentan sieht es so aus, als ob der Senat das tun will.“

Der Leitende Geistliche der Bremischen Evangelischen Kirche kritisierte das Vorgehen der Behörden. Es sei eine deutliche Abweichung von der bisherigen gemeinsamen Linie von Staat und Kirchen, erklärte Schriftführer Bernd Kuschnerus. „Wir sehen, dass die Behörde und der Innensenator politisch unter Druck stehen. Die politische Stimmungslage mag schwierig sein.“ Die Kirche fühle sich jedoch verpflichtet, die einzelnen Menschen im Blick zu haben. „Ich habe die Erwartung, dass wir zu dem bisherigen guten Einvernehmen zwischen Staat und Kirchen zurückkehren.“

Beim Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Orden Asylbewerber auf, wenn eine Abschiebung ihrer Auffassung nach für den Geflüchteten eine Bedrohung für Leib und Leben darstellt. Es hat seine Grundlage in einer Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen. Demnach muss eine Kirchengemeinde die Gründe darlegen, warum sie im Einzelfall Kirchenasyl gewährt. Das Amt überprüft den Fall daraufhin noch einmal. In jüngster Zeit waren bundesweit mehrere Kirchenasyle von den Behörden geräumt worden.

Laut Kuschnerus wird jedes Kirchenasyl in Bremen von einem Verein vorab sehr sorgfältig geprüft. Die allermeisten Anfragen würden abgelehnt. „Wer in Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche nach dieser intensiven Einzelfallprüfung Kirchenasyl bekommt, hat aus unserer Sicht tatsächlich tragfähige Gründe.“

Aktuell gewähren die Kirchen in Bremen laut der Landeskirche in zwölf Fällen Asyl. Insgesamt seien es in diesem Jahr bisher rund 100 Fälle gewesen. Gleichzeitig gingen pro Woche rund 80 Anfragen ein.

KNA

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