Frage: Trotz der vielen Flüchtlinge bleiben in Äthiopien derzeit die Grenzen weitgehend offen. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund das teils strikte Vorgehen in Europa und die aufgeheizten Debatten in Deutschland?
Heße: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Mauern und Zäunen dieses Problems nicht Herr werden. Es braucht andere Wege, die eine geordnete und sichere Migration ermöglichen. Wir dürfen das Thema nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen, sondern müssen weltweit, besonders aber auch in Europa, zu einer klaren Ausrichtung gelangen. Niemand darf sich aus dieser Aufgabe heraushalten. Migration und Flucht gehen uns alle an.
Frage: Welchen Beitrag kann die katholische Kirche leisten?
Heße: Die katholische Kirche hat den großen Vorteil, dass sie Weltkirche ist und überall Partner und Netzwerke hat und ihr Augenmerk vor Ort direkt auf die Menschen richten kann. In Äthiopien sind nur etwa 0,7 Prozent der Bevölkerung katholisch – die meisten Christen, etwa 43 Prozent, sind äthiopisch-orthodox. Trotzdem spielen die katholische und auch die protestantische Kirche, der etwa 18 Prozent der Bevölkerung angehören, bei der sozialen Arbeit im Land eine große Rolle. Und natürlich bemühen wir uns auch, konkrete Unterstützung über unsere Hilfswerke zu leisten.
Frage: Was hat Sie bei Ihrem Besuch besonders beeindruckt?
Heße: In den Flüchtlingscamps ist deutlich geworden, dass es einerseits darum geht, den Geflüchteten eine Bleibe zu geben, Nahrung und Bildung. Aber darüber hinaus spielt auch die Würde der Menschen eine Rolle. Traumata oder Missbrauch werden angesprochen und aufgearbeitet, die Menschen werden gestärkt. Und stark sind sie auch in ihrer Persönlichkeit, sie haben oft Schlimmes erlebt und strahlen trotzdem eine beeindruckende Positivität aus.