
Kein Lächeln – Die Zeit der Sklaverei prägt Mauritius bis heute
Bonn ‐ Erst zaghaft, dann selbstbewusst: Ein junges Mädchen will die uralten Hierarchien auf Mauritius nicht mehr hinnehmen – und verlangt Veränderungen. Heins Roman ist ein zeitloser Appell, Ungerechtigkeiten nicht hinzunehmen.
Aktualisiert: 28.08.2025
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Wer Riambel in eine Suchmaschine eingibt, sieht auf Fotos lange, weiße Sandstrände, Palmen und den tiefblauen Indischen Ozean. Das Örtchen im äußersten Süden der Insel Mauritius verspricht Erholung, Natur und einen traumhaften Urlaub. Und noch der Name dazu: Riambel. Priya Heins Protagonistin Noemie sagt: „Der Name klingt wie eine fröhliche Melodie – wie Sommer und Lachen.“ Doch ob der Name auch noch von rire en belle – aus vollem Herzen lachen – kommt, das will Noemies Mutter nicht beantworten. Denn in Riambel gibt es für die meisten Menschen nichts zu lachen.
Damit ist das Thema für „Das schöne Lächeln von Riambel“ – Debütroman der mauritischen Schriftstellerin Priya Hein – gesetzt. In einem Elendsviertel versuchen Mutter und Tochter, irgendwie über die Runden zu kommen. Sie wohnen beengt in einer mit aussortierten Möbeln eingerichteten Hütte. Der Alltag ist stressig und bietet kaum Zeit für eine Pause.
Die 15-jährige Noemie besucht eine öffentliche Schule mit Lehrern, die das Unterrichten dort eher als Strafe verstehen. Die Mutter schuftet bei der Familie De Grandbourg, für die sie, gleich wie alt sie ist, stets das Dienstmädchen bleiben wird. Und dieses lebt in ständiger Angst, Milch zu verschütten, das Essen nicht richtig anzurichten, einen Teller fallen zu lassen. Auch sonst gilt: Weißen macht man Platz, schaut ihnen nicht in die Augen, widerspricht schon gar nicht. Am besten, man ist gleich unsichtbar.
Denn Sklaverei, die zwar 1835 offiziell abgeschafft wurde, und Kolonialzeit – Mauritius wurde 1968 von England unabhängig – haben bis heute tiefe Spuren hinterlassen. Einflussreich bleibt eine kleine weiße französische Elite - Frankomauritier –, die einst durch Zuckerrohranbau und Sklaverei Wohlstand erlangten.
Vielschichtig und mit hohem Tempo
Dieser starren Hierarchie zu entkommen, ist unmöglich. Noemie beobachtet sie zwar, hinterfragt sie zunehmend und wird ermutigt, ihre Geschichte – „herstory“ – zu erzählen. Doch auf Mut und Aufbruch erfolgt Ernüchterung: Noemie bleibt die „Petite Négresse“, das kleine schwarze Mädchen, und die kleine Sklavin.
Mit ihrem Roman greift Priya Hein Themen auf, die zunehmend Einzug in aktuelle Debatten finden. Die Afrikanische Union erklärte 2025 zum „Jahr der Entschädigungszahlungen“ für Sklaverei und Kolonialismus. Die Kritik am Neokolonialismus erhält mehr Gehör. Auch fordern Aktivisten, dass es nicht Debatten über Afrika gibt, sondern dass diese von dort aus gesetzt und gestaltet werden.
Eine solche, noch eher ungewohnte Perspektive nimmt auch Hein ein. In kurzen Kapiteln liefert ihr Roman eine gute Erklärung dafür, dass die Folgen der Vergangenheit noch lange Gegenwart und Zukunft bestimmen und Rassismus allgegenwärtig bleibt. Gut tut dem Roman dabei das hohe Erzähltempo ohne jegliche Umwege und unnötige Nebengeschichten, aber auch, dass es kein Entweder-Oder-Roman ist. Dafür sind die Charaktere zu vielschichtig und unerwartet. Ein kurzes Innehalten bieten die Gedichte mauritischer Lyriker, die immer wieder in die Erzählung eingewoben werden.
„Das schöne Lächeln von Riambel“ wirkt zunächst wie eine schlicht erzählte Geschichte. Dabei ist sie ein zeitloser und vor allem lauter Appell, Ungerechtigkeiten zu beobachten, zu hinterfragen und sie nicht mehr hinzunehmen.

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