Pakistan auf der Landkarte
Blasphemie-Vorwürfe führen oft zu harten Urteilen

Angeblicher „Gotteslästerer“ in Pakistan nach 23 Jahren aus Haft entlassen

Islamabad  ‐ Die Blasphemiegesetze im islamischen Pakistan sorgen immer wieder für Empörung. Oft setzen Muslime sie als Waffe gegen Christen ein. Nun wurde ein lange zurückliegendes Skandalurteil aufgehoben.

Erstellt: 01.07.2025
Aktualisiert: 01.07.2025
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Nach 23 Jahren in Haft darf ein wegen angeblicher Islambeleidigung verurteilter Christ in Pakistan das Gefängnis verlassen. Der Oberste Gerichtshof des Landes ordnete die Freilassung des psychisch kranken Mannes an, wie der asiatische Pressedienst Ucanews am Freitag berichtete. Demnach entschieden die Richter, eine Person mit psychischer Erkrankung könne strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der heute 72-jährige Mann werde in der kommenden Woche freigelassen, sagte sein Anwalt Rana Abdul Hameed gegenüber Ucanews. „Obwohl die Ärzte ihn zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftat für unzurechnungsfähig erklärt hatten, gestand er immer wieder und flehte um seine Hinrichtung, was den Prozess erschwerte“, so Hameed.

Im Juli 2002 hatte ein Gericht in Lahore den Katholiken wegen Blasphemie zum Tode sowie einer Geldstrafe von umgerechnet rund 15.000 Euro verurteilt. Trotz ärztlicher Gutachten, die eine psychische Störung des Mannes belegten, bestätigte das Oberste Gericht von Lahore 2014 in einem Berufungsverfahren das Urteil. Die Verfahren hätten sich auch wegen des Verhaltens seines Mandanten so lange hingezogen, sagte Hameed. „Obwohl die Ärzte ihn zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Straftat für unzurechnungsfähig erklärt hatten, gestand er immer wieder und flehte um seine Hinrichtung, was den Prozess erschwerte“, erläuterte der Anwalt.

Nach seiner Freilassung müsse sein Mandant nun mit Morddrohungen islamischer Extremisten rechnen. „Seine Familie muss für seinen Schutz sorgen.“ Er selbst habe Drohungen erhalten, nachdem er Anfang des Jahres auf einer Pressekonferenz eine unabhängige Untersuchung des Missbrauchs der pakistanischen Blasphemiegesetze gefordert habe, so Hameed.

Die Blasphemiegesetze stammen größtenteils aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft, wurden aber während der Diktatur von General Zia-ul-Haq (1980-1986) verschärft. Dutzende Muslime und Angehörige anderer Minderheiten, darunter auch Christen, wurden seitdem wegen Blasphemie zur Todesstrafe verurteilt. Die Todesstrafe wegen Blasphemie wurde jedoch noch nie vollstreckt.

Unter Pakistans Christen sorgte am 4. Juni der Freispruch von zehn muslimischen Männern aus „Mangel an Beweisen“ für Empörung. Die Männer waren beschuldigt, im August 2023 Teil eines islamistischen Mobs gewesen zu sein, der in Jaranwala über 20 Kirchen und mehr als 80 Häuser von Christen in Brand gesetzt zu haben. Anlass der Gewaltorgie war der über die Lautsprecher der Moscheen verbreitete Blasphemievorwurf gegen zwei Christen.

KNA

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