Mexikanische Flagge mit Trauerflor. Symbolbild
Mexikos neue Präsidentin mit Debatte über Sicherheit konfrontiert

Die Ära Sheinbaum beginnt mit brutaler Gewalt

Der Fall eines enthaupteten Bürgermeisters sorgt in Mexiko für Entsetzen. Und setzt die neue Präsidentin gleich unter massiven Druck. Die Kirche fordert eine Debatte über die Sicherheitspolitik.

Erstellt: 11.10.2024
Aktualisiert: 09.10.2024
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Von Tobias Käufer (KNA)

andro Arcos war gerade mal sechs Tage im Amt, dann endete das Leben des Bürgermeisters von Chilpancingo in der mexikanischen Unruheprovinz Guerrero auf grausamste Weise. Der Körper des enthaupteten Lokalpolitikers saß noch im Fahrzeug, sein Kopf lag auf dem Dach des Autos. Die Bilder wurden millionenfach im Internet abgerufen. Und sie setzen die neue mexikanische Präsidentin Claudia Sheinbaum bereits nach wenigen Tagen im Amt unter Druck. Sie ist mit einer Gewalt der Drogenkriminalität konfrontiert, die wieder einmal alle Grenzen zu sprengen scheint. Nach dem Mord gingen die Menschen in Chilpancingo auf die Straße und forderten Gerechtigkeit für den Bürgermeister. Sheinbaum versprach, der Fall werde energisch angegangen.

Ihre Präsidentschaft begann insgesamt blutig: Erst töteten Militärs offenbar aus Versehen eine Gruppe von Migranten, die sie für Kriminelle hielten, dann gab es aus allen Landesteilen Berichte über Morde und Massaker. Und schließlich Chilpancingo. In den Medien ist bereits eine Debatte über die Sicherheitspolitik entbrannt. „Sheinbaums Sicherheitsplan wiederholt die Strategie, die bei der Eindämmung der Gewalt in Mexiko schon einmal versagt hat“, urteilte das Portal Processo.

Das Thema Sicherheit spielte bereits bei Sheinbaums Amtsvorgänger, Parteifreund und Mentor Andres Manuel Lopez Obrador eine große Rolle. Er war vor sechs Jahren mit dem Ziel angetreten, das Land zu befrieden – und auf ganzer Linie gescheitert. Mehr als 170.000 Gewalttote wurden in den sechs Jahren seiner Amtszeit verzeichnet, ein neuer Negativ-Rekord. Das Konzept, mit Hilfe einer Nationalgarde für Sicherheit zu sorgen, ging nicht auf. Die Macht der Drogenkartelle ist weiter gewachsen.

Dass die linksgerichtete Regierungspartei Moreno trotzdem den Wahlsieg einfuhr, lag an den Erfolgen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Doch über dem Sieg liegt der Schatten des nicht gelösten Gewaltproblems.

Auch die kirchliche Friedensagenda bot keinen Schutz

Der katholische Geistliche Filiberto Velazquez, Leiter der Sozialpastoral der Diözese Chilpancingo, sagte dem TV-Sender Milenio, der getötete Bürgermeister habe die von der Kirche ausgearbeitete Nationale Friedensagenda unterzeichnet. Er sei davon überzeugt gewesen, dass es möglich sei, in der Gemeinde Chilpancingo Frieden zu schaffen.

„Er ist ein Märtyrer für den Frieden, weil er das Beste für die Stadt wollte, was angesichts der komplexen Umstände und der unsicheren Lage heutzutage sehr schwer zu erreichen ist“, sagte Velazquez. Der Bürgermeister habe trotz allem gewagt, es zu versuchen. „Und jetzt müssen wir weiter für diese Realität kämpfen, nach der wir uns in Chilpancingo und in Mexiko sehnen.“ Die Kirche allein sei mit der Aufgabe jedoch überfordert.

Schon während des Wahlkampfes hatte die katholische Kirche in Mexiko allen Präsidentschaftskandidaten eine Art Pakt angeboten, in dem Dutzende Vorschläge zur Verbesserung der Lage enthalten waren. Favoritin Sheinbaum ging auf Distanz: „Ich teile die pessimistische Einschätzung der aktuellen Situation nicht“ – unterschrieb aber dennoch.

In dem Strategiepapier der Kirche hieß es unter anderem: „Wir haben es mit einem zersplitterten Sicherheitssystem zu tun, das nicht in der Lage ist, auf die kriminellen Machenschaften zu reagieren, die heute viele Teile des Landes kontrollieren.“ Vorgeschlagen wurden unter anderem die Stärkung der kommunalen Polizeikräfte, eine tiefgreifende Reform des Strafvollzugs und Präventionsprogramme, die verhindern sollen, dass Jugendliche mit kriminellen Gruppen in Kontakt kommen.

Schneller als erwartet, wird Sheinbaum nun mit der Wucht des Themas konfrontiert. Allein in dieser Woche baten bereits vier Lokalpolitiker um Schutz vor möglichen Attentaten.

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