Vorstellung des Antiziganismus-Berichts von der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) am 18. September 2023 in Berlin
Melde- und Informationsstelle legt Bericht vor

Mehr Fälle von Hass gegen Sinti und Roma gemeldet

Berlin  ‐ Seit 2022 dokumentiert eine Meldestelle gegen Sinti und Roma gerichtete Vorfälle. Ein deutlicher Anstieg der Zahlen im vergangenen Jahr sei nicht auf wachsenden Antiziganismus zurückzuführen, heißt es.

Erstellt: 21.06.2024
Aktualisiert: 24.06.2024
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Von Alexander Riedel (KNA)

Im vergangenen Jahr sind in Deutschland deutlich mehr gegen Sinti und Roma gerichteten Vorfälle gemeldet worden als im Vorjahr. Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) dokumentiert in ihrem am Montag in Berlin vorgelegten zweiten Jahresbericht bundesweit 1.233 antiziganistische Vorfälle, nach 621 im Vorjahr. 2023 waren darunter 10 Fälle von extremer Gewalt, 40 Angriffe, 27 Sachbeschädigungen, 46 Bedrohungen, 502 Fälle von Diskriminierung sowie 600 Fälle von verbaler Stereotypisierung - also von Äußerungen, die Betroffene direkt diffamieren und herabwürdigen.

Die Ursache für den deutlichen Anstieg der antiziganistischen Vorfälle sieht die Meldestelle allerdings nicht in einer Zunahme von Abneigung und Hass gegen Sinti und Roma. Vielmehr geht sie davon aus, dass die höheren Zahlen vor allem durch den wachsenden Bekanntheitsgrad der nationalen und regionalen Meldestellen zu erklären sind. Es sei nach wie vor von einer Vielzahl nicht erfasster Vorfälle auszugehen, hieß es. Das Dunkelfeld könne erst in den kommenden Jahren schrittweise erhellt werden.

Gegen Sinti und Roma gerichtete Äußerungen bei Versammlungen und auf Großveranstaltungen wie in Fußballstadien sowie vor allem von rechten Parteien verbreitete antiziganistische Propaganda vergifteten das gesellschaftliche Klima und stachelten zur Gewalt gegen Sinti und Roma an, heißt es weiter im Jahresbericht.

Ein eklatantes Problem sei auch der von staatlichen Institutionen verübte Antiziganismus. Staatliche Stellen seien für etwa ein Viertel der dokumentierten Diskriminierungsfälle verantwortlich. In vielen Fällen seien Polizeikräfte beteiligt gewesen. In drei Fällen sei es zu extremer Gewalt durch Einsatzkräfte gekommen.

Die für 2023 erfassten Vorfälle zeigten, dass Abneigung und Hass gegen Sinti und Roma für Betroffene alltäglich sei und in nahezu allen Lebensbereichen auftrete, so die Meldestelle. 212 Fälle ereigneten sich in Bildungseinrichtungen, 177 im Wohnkontext und 176 im Umgang mit Behörden. 168 Fälle passierten im Internet, 106 im öffentlichen Raum und 47 in der Arbeitswelt. Die übrigen 347 Vorfälle wurden unter „sonstiges“ erfasst.

Die Meldestelle MIA leitet aus den dokumentierten Fällen mehrere Forderungen ab: Innenministerien und Polizeibehörden sollten mit tiefgreifenden Maßnahmen auf allen Ebenen Antiziganismus bei der Polizei entgegentreten. Die Trennung ukrainischer Roma beim Zugang zu Wohnraum, sozialen Leistungen, Beschulung und lokalen Hilfsstrukturen müsse umgehend beendet werden. Außerdem sollten bundesweit Beratungsstrukturen zum Thema Antiziganismus aufgebaut werden.

In eigener Sache verlangt die von der Bundesregierung unterstützte Meldestelle MIA eine finanzielle Absicherung über die Ende des Jahres auslaufende erste Förderperiode hinaus. Die Bundesländer müssten sich zudem am Auf- und Ausbau regionaler Meldestellen finanziell beteiligen.

Bund und Länder beschließen Kommission gegen Antiziganismus

Bund und Länder haben am Donnerstagabend die Einrichtung einer ständigen Kommission gegen Antiziganismus beschlossen. „Dieser Beschluss ist ein Meilenstein im Kampf gegen Antiziganismus“, erklärte der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, am Freitag in Berlin.

Die Kommission soll der Abstimmung von Bund und Ländern dienen. Sie ziele „auf die Anerkennung von Sinti und Roma als gleichberechtigten und wertvollen Teil unseres Landes“, so Daimagüler. „Mit dem Beschluss zur Einrichtung dieser Kommission bekennen sich Bund und Länder gemeinsam zu den Sinti und Roma in Deutschland. Gemeinsam streben sie eine effektivere und besser abgestimmte Politik des Schutzes und der Teilhabe von Sinti und Roma an.“

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Unter der Überschrift „Zwischen Fürsorge und Antiziganismus“ hat die Deutsche Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma am 29./30. April 2025 ein wissenschaftliches Symposium zum Verhältnis der katholischen Kirche in Deutschland zu den Sinti und Roma während des Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit durchgeführt.