Flagge von Myanmar auf brüchiger Mauer
Krisenland versinkt im Bürgerkrieg – Bischof auf der Flucht

Traurige Weihnachten für Christen in Myanmar

Yangon  ‐ In Myanmar eskaliert der Bürgerkrieg. Betroffen von der ausufernden Gewalt sind besonders auch die christlich geprägten Regionen. Kurz vor Weihnachten wird die Not dort immer größer.

Erstellt: 25.12.2023
Aktualisiert: 20.12.2023
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Von Michael Lenz (KNA)

Vor einigen Tagen half ein Team der christlichen Free Burma Rangers (FBR) Bürgerkriegsflüchtlingen am Fluss Sittaung, die von Kampfhubschraubern der Luftwaffe Myanmars beschossen wurden. „Trotzdem konnte das Team bei der Geburt eines Babys helfen und erfolgreich Landminen beseitigen“, sagt FBR-Gründer David Eubank der Katholische Nachrichten-Agentur (KNA).

Er fügt klagend hinzu: „In Kayah greift die Luftwaffe Flüchtlingslager, Hospitäler, Kirchen und Schulen an.“ Dennoch herrsche in den Lagern – neben Angst und Elend – zumindest ein bisschen Weihnachtsstimmung. „Die Kinder üben im Dschungel Weihnachtslieder, obwohl sie alles verloren haben“, berichtet Eubank.

Junta kann in Teilen des Landes Ordnung nicht mehr aufrechterhalten

250.000 der knapp 400.000 Bewohner des myanmarischen Teilstaates Kayah an der Grenze zu Thailand sind vor den anhaltenden Kämpfen geflohen. Rund 45 Prozent in dem Staat der Karen-Volksgruppe sind Christen. „80.000 leben in Lagern der Kirche“, erläutert Celso Ba Shwe, Bischof von Loikaw. Die aktuelle Lage in der Hauptstadt Kayahs beschreibt der Geistliche, der selbst auf der Flucht ist, als „hochgefährlich“. Die Armee habe sich auf dem Gelände der Kathedrale verschanzt. Insgesamt seien seit dem Putsch vom Februar 2021 die Einwohner und Priester aus 31 der 41 Gemeinden geflohen.

Die ethnischen Minderheiten Myanmars kämpfen seit mehr als sieben Jahrzehnten gegen die politische, militärische und wirtschaftliche Dominanz der Mehrheitsethnie der buddhistischen Birmanen. Aufgrund des hohen Anteils von Christen in einigen Regionen wurden Kirchen und kirchliche Einrichtungen zu Zentren des Widerstands. Neu an der aktuellen Situation ist, dass sich auch Birmanen dem Junta-Regime widersetzen und die verschiedenen Widerstandsmilizen immer stärker kooperieren – unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit.

Am 27. Oktober 2023 startete der bewaffnete Widerstand im Norden des Shan-Staates an der Grenze zu China eine Offensive gegen die Junta. Die hat sich seitdem auf das benachbarte Kayah sowie die Regionen Chin, Rakhine, Kachin und Sagaing ausgeweitet. Immer mehr Townships werden Berichten zufolge von Widerstandsgruppen erobert. Laut dem unabhängigen „Institute for Strategy and Policy“ in Myanmar ist die Junta nicht mehr in der Lage, Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten, Steuern einzutreiben und wesentliche öffentliche Dienstleistungen wie Wasser-, Strom- und Gesundheitsversorgung sicherzustellen.

Gewehrsalven statt Glockengeläut

Derweil nimmt die humanitäre Not immer dramatischere Ausmaße an. Im jüngsten Lagebericht der Vereinten Nationen heißt es: „Drei Jahre nach der Machtübernahme des Militärs ist die Lage für 2024 düster: Schätzungen zufolge befindet sich nun ein Drittel der Bevölkerung - 18,6 Millionen Menschen - in humanitärer Not.“ 6 Millionen Kinder seien wegen Vertreibung, fehlender Gesundheitsversorgung und Bildung, schlechter Ernährungslage in Not geraten. Hinzu komme die ständig drohende Zwangsrekrutierung.

Wie in vielen Teilen Myanmars ist der bewaffnete Widerstand auch im mehrheitlich christlichen Chin-Staat an der Grenze zu Indien auf Erfolgskurs. „Derzeit gibt es keine Luftangriffe“, schreibt Lucius Hre Kung, katholischer Bischof von Hahka, in einer E-Mail an die KNA. „Aber das kann sich jederzeit ändern. Der Bürgerkrieg geht weiter.“ Trotz der zahlreichen Probleme seien Caritas-Helfer in der Lage, Vertriebene zu unterstützen. „Aber wenn militärische Operationen stattfinden, muss sich jeder so schnell wie möglich in Sicherheit bringen“, so der Bischof.

Es steht zu befürchten, dass in Chin und Kayah statt Glockengeläut Gewehrfeuer und Bomben durch die Heilige Nacht dröhnen. „Traditionell sind die Weihnachtsfeierlichkeiten im Chin-Staat populär und prächtig. Wegen der politischen Lage wird das Fest diesmal aber anders“, stellt Bischof Lucius in Aussicht. Mit verhaltener Zuversicht kündigt er an: „In der Weihnachtszeit wird es in den Kirchen und Lagern keine Probleme mit der Feier der Gottesdienste geben.“ Nach Angaben der Chin-Menschenrechtsorganisation wurden seit dem Putsch allerdings mehr als 90 Kirchen und andere religiöse Gebäude von der Armee zerstört.

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