Kinder, als Maria und Josef verkleidet, bei der Probe zu einer Krippenfeier am 22. Dezember 2018 in einer Kirche in Bonn. Im Hintergrund: Kinder als Engel verkleidet.
Ein besonderes Glaubenszeugnis – bis heute

Vor 800 Jahren hielt Franz von Assisi die erste Krippenfeier

Greccio  ‐ In einer nächtlichen Grotte in den Bergen nördlich von Rom fand 1223 die erste Krippenfeier statt. Ohne Maria, Josef und Jesuskind, aber mit viel Heu und noch mehr Begeisterung. Die Wirkung blieb kein Strohfeuer.

Erstellt: 24.12.2023
Aktualisiert: 19.12.2023
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Von Roland Juchem (KNA)

Es muss eine geradezu ekstatische nächtliche Feier gewesen sein, die Franz von Assisi in jener Nacht zum 25. Dezember 1223 nahe des Bergdorfes Greccio inszenierte. Jedenfalls liest sich so die Beschreibung der ersten dokumentierten Krippenfeier: „Männer und Frauen jener Gegend bereiteten, so gut sie konnten, freudigen Herzens Kerzen und Fackeln, um damit jene Nacht zu erleuchten, die mit funkelndem Sterne alle Tage und Jahre erhellt hat“, schrieb der Ordensmann und Chronist Thomas von Celano (1190-1260) rückblickend.

Eine Krippe wird „zurechtgemacht, Heu herbeigebracht, Ochs und Esel herzugeführt. Zu Ehren kommt da die Einfalt, die Armut wird erhöht, die Demut gepriesen, und aus Greccio wird gleichsam ein neues Bethlehem.“ „Der Wald erschallt von den Stimmen, und die Felsen hallen wider von dem Jubel. Die Brüder singen und bringen dem Herrn das schuldige Lob dar, und die ganze Nacht jauchzt auf in hellem Jubel.“

Die Feier ist ein lange gehegtes Wunschprojekt des damals gut 40-jährigen Franziskus. Mit seinen Gesinnungsgenossen führt der fromme Aussteiger ein Leben, das den radikalen Forderungen des Evangeliums entspricht. In einer Zeit, da die Kirche reich und mächtig ist wie nie zuvor, möchte er die Botschaft des Jesus von Nazareth konkret und sinnesfreudig vermitteln.

In jener Nacht zum 25. Dezember feiert Franziskus in einer Grotte bei Greccio wie in spiritueller Ekstase eine Messe zur Erinnerung an die Geburt des Erlösers. Seufzend „voll tiefen Wehs, von heiliger Andacht durchschauert und von wunderbarer Freude überströmt“ spricht er vom „Kind aus Bethlehem“. Und jedes Mal, wenn er „Bethlehem“ sagte, habe es „wie von einem blökenden Lämmlein“ geklungen. So die verklärende Erinnerung der Ohrenzeugen.

Bleibender Eindruck

So fromm und beschaulich die Schilderung der ersten Krippenfeier sich heute liest, so war sie doch gezielt vorbereitet. In der Gegend gut 70 Kilometer nördlich von Rom hatte der junge, einen Monat zuvor vom Papst offiziell anerkannte Orden besonders viele Sympathisanten. Außerdem fand Franziskus in einem lokalen Adligen namens Johannes einen bereitwilligen Förderer und Sponsor. Die Art und Weise, wie er diesen zwei Wochen vorher um Mithilfe bittet, erinnert an Jesus, wie dieser in den Evangelien seine Jünger bittet, das Pessachmahl – sein letztes Abendmahl – vorzubereiten.

„Wenn du wünschst, dass wir bei Greccio das bevorstehende Fest des Herrn feiern, so gehe eilends hin und richte sorgfältig her, was ich dir sage“, so zitiert Thomas von Celano den Ordensgründer. Er wolle das Gedächtnis an das Kind von Bethlehem begehen. „Und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.“ Natürlich eilte Johannes hin und tat wie ihm geheißen.

Dass bei dieser ersten Krippenfeier weder Maria noch Josef vorgesehen waren, schien niemanden zu stören. Mütter und Väter, arme Hirten waren die Teilnehmer selbst. Wichtiger war ihnen der Glaube an die tatsächliche Gegenwart Christi bei dieser ungewöhnlichen Messfeier. Ein Wandgemälde in der Grotte, in der die Krippenfeier stattfand, zeigt das Kind in der Krippe, darüber den Altar mit Brot und Wein und davor kniend den heiligen Franziskus.

Wichtig wurde auch das Heu, das bei der Feier in der Krippe des Heilands gelegen hatte. Teilnehmer nahmen es als religiöses Souvenir mit nach Hause. Manche verfütterten es an ihre Tiere, und es geschah in der Tat, so die Legende weiter, dass in der umliegenden Gegend kranke Tiere geheilt wurden, wenn sie von dem Heu fraßen. Aber auch Frauen, die unter schweren und lange dauernden Geburtswehen litten, „ließen sich von dem Heu auflegen und konnten dann glücklich gebären“.

Wie immer es sich mit historischen Fakten verhalten mag – eines ist sicher: Die Feier hat bei den Menschen, die dabei waren, Eindruck hinterlassen. Mit weitreichenden, über Jahrhunderte wirkenden Folgen. Bald darauf entstanden in den Kirchen Darstellungen der Geburt Christi. Im Zuge der katholischen Gegenreformation kamen nach dem Konzil von Trient (1545-1563) jene mobilen Krippen auf, die nur zur Weihnachtszeit aufgebaut wurden. Hochburgen dieser Frömmigkeitspraxis waren die Provence und Neapel.

Ein Zeichen ohne viele Worte

Heute noch sind in den säkularisierten Gesellschaften Westeuropas weihnachtliche Krippenfeiern die meistbesuchten Gottesdienste. Weswegen Papst Franziskus, dem „wunderbaren Zeichen der Krippe“, einen eigenen Brief widmete. Um ihn zu unterzeichnen, reiste der Namensvetter des Heiligen eigens am 1. Dezember 2019 nach Greccio in das dortige Franziskanerkloster. „Es ist nicht wichtig, wie man die Krippe aufstellt“ – immer gleich oder jedes Jahr anders – „was zählt, ist, dass sie zu unserem Leben spricht“, so der Papst. Wie in jener Dezember-Nacht des Jahres 1223.

Damals soll ein Teilnehmer die Vision gehabt haben, wie in der Krippe ein lebloses Neugeborenes lag, das durch den Heiligen wie aus tiefem Schlaf erweckt wurde. „Gar nicht unzutreffend ist diese Vision“, schreibt Thomas von Celano, „denn der Jesusknabe war in vieler Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit Gottes Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt.“

Oder wie der Papst es formulierte: Vor der Krippe brauche es nicht viele Worte. Die Szene der Geburt Jesu vermittle auch so die wesentliche Weisheit des christlichen Glaubens: „Gott liebt uns so sehr, dass er unsere Menschlichkeit und unser Leben mit uns teilt.“ Wie die Hirten von Bethlehem sollten auch heutige Gläubige die Freude, die sie vor der Krippe empfinden, dorthin bringen, wo Trauer herrscht.

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