Warum im Heiligen Land dreimal Weihnachten gefeiert wird
Jerusalem ‐ Das Heilige Land ist in vieler Hinsicht einzigartig. Das trifft auch auf seine religiöse Landschaft zu. Und auch zwischen den verschiedenen christlichen Konfessionen gibt es feine Unterschiede - gerade zu Weihnachten.
Aktualisiert: 20.12.2022
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Wie vielfältig das Christentum ist, wird speziell im Heiligen Land deutlich: Gleich dreimal kann man dort Weihnachten feiern. Grund sind unterschiedliche kirchliche Traditionen und Kalender. Lateinische Katholiken, reformatorische Kirchen und Anglikaner machen mit dem Heiligen Abend nach dem Gregorianischen Kalender am 24. Dezember den Auftakt, gefolgt von der Mehrheit der orthodoxen Kirchen am 6. Januar und schließlich den Armeniern - fast einen Monat später.
Eindrucksvoll verläuft üblicherweise am 24. Dezember der Einzug des Lateinischen Patriarchen nach Bethlehem. Er feiert nicht in der Geburtsbasilika selbst, sondern in der unmittelbar angrenzenden katholischen Katharinenkirche. Bei dem Gottesdienst sitzt in der ersten Reihe stets der Palästinenserpräsident. Die Mitternachtsmesse aus der Katharinenkirche ist international bekannt, da große TV-Anstalten in Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Australien die Direktübertragung gern übernehmen, um einen stimmungsvollen liturgischen Weihnachtsakzent für ihr Publikum zu setzen.
Die orthodoxen Kirchen, allen voran das Patriarchat von Jerusalem, die „Mutter aller Kirchen“, halten sich an den Julianischen Kalender: Sein 24. Dezember entspricht dem 6. Januar des Gregorianischen Kalenders. Der Höhepunkt des orthodoxen Weihnachtsfests ist der Einzug des griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem nach Bethlehem. Festliche Umzüge von Pfadfinder-Musikgruppen begleiten seine Ankunft – wie auch schon die des katholischen Patriarchen knapp zwei Wochen davor.
Der Patriarch und seine Begleitung werden in Bethlehem vom zuständigen Erzbischof zusammen mit Würdenträgern aller Art begrüßt. Unter dem arabischen und griechischen Gesang von zwei Chören geht es zur bescheidenen Pforte der Geburtsbasilika. Dort wird der Patriarch vom griechischen Generalkonsul und dem Bürgermeister von Bethlehem in Empfang genommen. Er schreitet sodann über den Mittelgang der Basilika – ein Vorrecht, das nur dem orthodoxen Patriarchen zusteht – zur Ikonostase, um durch die Nikolauskapelle zur Geburtsgrotte hinabzusteigen.
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Weihnachten und Epiphanie
Nach dem Gebet in der Geburtsgrotte folgen die eigentlichen liturgischen Feiern: das Weihrauch-Opfer, die Vesper und die Basilius-Liturgie. Entsprechend dem Status quo aus osmanischer Zeit ist die orthodoxe Liturgie bereits um 15.30 Uhr beendet. Es folgt ein Festmahl im nahen orthodoxen Kloster. Abends gibt der Patriarch einen festlichen Empfang für den palästinensischen Präsidenten.
In ähnlicher Weise ziehen am 6. Januar Vertreter der syrisch-orthodoxen, koptisch-orthodoxen und äthiopischen Kirche, begleitet von Pfadfindergruppen, durch die Altstadt zur Geburtskirche, um ihre Weihnachtsliturgien zu feiern. Währenddessen feiern die lateinischen Christen in der Katharinenkirche das Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphanie), das unter anderem an den Besuch der Weisen in Bethlehem erinnert. Sein Ablauf ähnelt dem der Christmette; doch diesmal steht der Franziskanerkustos als oberster Hüter der katholischen Stätten im Heiligen Land den Feiern vor.
Unterschiedliche Kalender
Damit ist Weihnachten aber noch lange nicht zu Ende. Denn die unterschiedlichen Gepflogenheiten führen dazu, dass die armenisch-apostolische Kirche noch einmal knapp zwei Wochen später feiert. Die Armenier im Heiligen Land bewahren damit eine Tradition, die auf das 4. Jahrhundert zurückgeht. Nach ihr wird die Geburt Christi zusammen mit den Festen Epiphanie und Taufe des Herrn am 6. und 7. Januar des Julianischen Kalenders gefeiert – eben dem 18. und 19. Januar im Gregorianischen Kalender. Die anderen orthodoxen Kirchen des Heiligen Landes feiern an diesem Tag ebenfalls Epiphanie und Taufe des Herrn – und begeben sich zu Tausenden ans Ufer des Jordan, wo laut biblischen Berichten Jesus die Taufe empfing.
Außerhalb des Heiligen Landes folgen die armenischen Christen übrigens heutzutage dem Gregorianischen Kalender. Ihr Weihnachtsfest fällt somit wie das der anderen orthodoxen Kirchen weltweit auf den 6. Januar.
Von Till Schönwälder und Andrea Krogmann (KNA)
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