Bozen veranlasst als erste Diözese in Italien Missbrauchsstudie
Die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche Italiens steht noch am Anfang. Nun hat das Bistum Bozen-Brixen als erste Diözese eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben.
Aktualisiert: 08.12.2023
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Die Diözese Bozen-Brixen hat als erstes Bistum Italiens eine Missbrauchsstudie in Auftrag gegeben. Verantwortlich für die Umsetzung ist unter anderen die Münchener Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl. Sie erstellte in Deutschland bereits mehrere solcher Gutachten. In einem Interview mit dem Südtiroler Wochenmagazin „ff“ bestätigte Anwalt Ulrich Wastl am Donnerstag die bereits begonnen Vorarbeiten.
In Italien kenne die Diözese keine vergleichbare Kanzlei mit entsprechenden Kompetenzen und Erfahrungen, begründete der Präventionsbeauftragte des Bistums Bozen-Brixen, Gottfried Ugolini, die Entscheidung gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Um den lokalspezifischen und sprachlichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, seien zudem Anwälte aus Südtirol beteiligt.
Insgesamt sei das Projekt mit dem Namen „Mut zum Hinsehen“ auf drei Jahre ausgelegt, so Ugolini. Es beginne mit Einsichtnahme in allen diözesanen Archiven. Die Untersuchung der Akten erfolgt für die Jahre ab 1964; damals wurden die Bistumsgrenzen neu geregelt. Ein erster Bericht über die Archivrecherche sei für Juni 2024 vorgesehen, kündigte Ugolini an.
Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche Italiens steht noch am Anfang, gesellschaftlichen Druck gibt es kaum. Im Jahr 2019 hatte die Italienische Bischofskonferenz, zu der auch Bozens Bischof Ivo Muser gehört, eine nationale Fachstelle für Kinderschutz ins Leben gerufen und mit der Einrichtung regionaler Meldestellen begonnen. Laut eines kürzlich veröffentlichten Berichts der Konferenz sind diese sowie örtliche Präventionsbeauftragte mittlerweile nahezu flächendeckend im Land vorhanden
Landesweite Studie bislang nicht geplant
Eine landesweite unabhängige Studie zur Aufarbeitung von Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter ist nicht geplant. Untersucht wurden bislang lediglich die eigenen Präventionsmaßnahmen seit 2020; noch in Vorarbeit steckt ein Gutachten zu Meldungen mutmaßlicher Fälle der vergangenen 20 Jahre an die vatikanische Glaubensbehörde.
Der Bozener Präventionsverantwortliche Ugolini habe den Eindruck, dass einige italienische Diözesen die Arbeit in Bozen-Brixen mit Interesse verfolgten. „Da unsere Diözese eine geschichtliche, sozio-kulturelle und sprachliche Vielfalt aufweist, ist es natürlich noch einmal spannender. Insofern haben wir auch eine Brückenfunktion.“
Aufbauend auf den ersten Bericht 2024 sollen die weiteren Schritte zur Umsetzung des Bistumsprojektes festgelegt werden. Dabei gehe es auch um inhaltliche und strukturelle Konsequenzen sowie Präventions- und Interventionsmaßnahmen, so Ugolini. Für das Projekt hat die Diözese eine Steuerungsgruppe eingesetzt, in der auch Betroffene beteiligt sind. Außerdem ist ein unabhängiger externer Beirat vorgesehen, der die Vorgänge überprüft.
Der aktuelle Auftrag ist bereits der dritte Anlauf der Diözese Bozen-Brixen zu diesem Thema. Zwei Projekte zuvor scheiterten laut Ugolini wegen internen Drucks und zu hoher Kosten. Zudem habe es Befürchtung gegeben, dass nur wissenschaftliche Ergebnisse und weniger lokalspezifische, konkrete Präventionsmaßnahmen zählen würden. Nun werde die Aufarbeitung im Bistum aber von allen Verantwortlichen befürwortet.