Aufarbeitung von Kolonialverbrechen

Experte zu Aussöhnungsabkommen: In Namibia „brodelt es weiter“

Windhuk/Pretoria ‐ Der deutsch-namibische Afrikanist Henning Melber hat der Regierung in Windhuk eine Mitschuld für die derzeitige Funkstille zwischen den beiden Ländern gegeben.

Erstellt: 06.08.2023
Aktualisiert: 07.08.2023
Lesedauer: 

„In Namibia hält sich die Regierung bedeckt und schweigt sich weitgehend aus“, sagte der Experte am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Windhuk. Auch in Namibias Parlament sei das Thema „nicht mehr virulent“ und sei zuletzt größtenteils von einer Debatte um die Rechte sexueller Minderheiten abgelöst worden.

Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Linke) hervorgeht, fanden seit Ende 2022 keine persönlichen Treffen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung und der namibischen Regierung zum Kolonialdialog statt. Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie.

Viele Nachkommen fühlen sich ausgeschlossen

Gemäß der „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen den beiden Ländern sollen in den kommenden 30 Jahren rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia fließen. Während auf Regierungsebene Stillstand herrsche, hält Experte Melber fest: „Zivilgesellschaftlich brodelt es weiter.“ Widerstand gegen das deutsch-namibische Völkermordabkommen zeichne sich etwa in Form der anhängigen Klage gegen Namibias Regierung ab. Das Gerichtsverfahren befinde sich laut namibischen Vertretern in der Vorbereitungsphase.

Viele Herero und Nama fühlen sich als Nachkommen der Opfer von Kolonialverbrechen von dem bilateralen Abkommen ausgeschlossen. Der Kulturaktivist Stephen Kazeire Raurau unterstellt den Regierenden in Windhuk finanzielle Abhängigkeit von Deutschland: „Die Regierung sieht die Gemeinsame Erklärung als Geschenk des Himmels in diesen wirtschaftlich harten Zeiten.“ Dabei seien die Gelder als „Abzocke und Beleidigung“ zu betrachten – einerseits für die Erinnerung an die Opfer, andererseits für deren Nachkommen.

KNA

Mehr zum Thema