Straftatbestände „juristisch problematisch“

Bürgerrechtler fordern Reform von Indonesiens Blasphemiegesetzen

Jakarta ‐ Die indonesische Polizei geht gegen angebliche oder wirkliche Blasphemie mit großer Härte vor. Menschenrechtler fordern Änderungen.

Erstellt: 06.07.2023
Aktualisiert: 06.07.2023
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Indonesische Bürgerrechtler fordern zum Schutz religiöser Minderheiten eine Reform der Blasphemiegesetzgebung. Das „Setara Institute for Democracy and Peace“ in Jakarta habe die Regierung des mehrheitlich islamischen Landes zur Überarbeitung bzw. Streichung der entsprechenden Paragrafen der Strafgesetzgebung aufgefordert, sagte dessen stellvertretender Vorsitzender Bonar Tigor Naipospos dem asiatischen Pressedienst Ucanews (Dienstag). „Aber das ist in der Tat ein langer Prozess, weil es viele Debatten gibt. Da diese Paragrafen also bis auf weiteres Gesetz bleiben, bitten wir die Polizei, sie nicht mehr durchzusetzen“, erklärte Naipospos.

Die Blasphemiegesetze seien „juristisch problematisch“, weil die Straftatbestände „vage“ definiert seien. Das ermögliche der Polizei, frei zu definieren, ob eine Handlung als Blasphemie angesehen wird oder nicht. Weiter nannte Naipospos als Problem, dass sich die Polizei in fast allen Fällen von angeblicher Blasphemie auf die Fatwas von Organisationen wie dem indonesischen Ulema Council (MUI) beziehe und sie damit legitimiere.

Ruf als tolerantes muslimisches Land in Gefahr

Der Indonesier Andreas Harsono von der Menschenrechtsorganisation „Human Rights Watch“ (HRW) betonte laut Ucanews, die andauernde Anwendung dieser Paragrafen trotz der Kritik vieler Gruppen schade dem Ansehen des Landes. „Die Blasphemiefälle gegen religiöse Minderheiten sowie die staatlich geförderte Diskriminierung von Frauen und Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen haben zum anhaltenden Rückgang von Indonesiens Ruf als tolerantes muslimisches Land beigetragen“, so der Indonesier. Blasphemie steht in Indonesien seit 1965 unter Strafe. Seither wurden laut HRW mehr als 150 Menschen wegen Blasphemie verurteilt, die meisten davon Angehörige religiöser Minderheiten.

Artikel 156 des Strafgesetzbuchs kriminalisiert diejenigen, die vorsätzlich durch Worte oder Taten Missbrauch oder Verleumdung einer Religion betreiben. Artikel 157 richtet sich gegen Personen, die Schriften oder Bilder mit feindseligen, hasserfüllten oder erniedrigenden Äußerungen gegenüber Religionen veröffentlichen oder vertreiben. Zudem sieht ein 2008 erlassenes Gesetz eine Haftstrafe von bis zu sechs Jahren für die Verbreitung blasphemischer Inhalte im Internet gegen die offiziell anerkannten Religionen Islam, Protestantismus, Katholizismus, Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus vor.

Zuletzt hatten Menschenrechtsgruppen 2010 versucht, vor dem Obersten Verfassungsgericht Indonesiens die Abschaffung des Gesetzes zu erreichen. Die Klage wurde jedoch mit der Begründung abgewiesen, eine Abschaffung könne die religiöse Harmonie im Land gefährden.

KNA/dr

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