Expertinnen: Neue Formen des Erinnerns an Kolonialismus suchen
Nürnberg ‐ Nicht nur Museen stehen derzeit vor der Frage, wie sie mit Objekten aus kolonialen Zeiten angemessen umgehen sollen. Daher tauschten sich Fachleute bei einer Podiumsdiskussion beim Evangelischen Kirchentag in Nürnberg über die Erinnerungskultur zum deutschen Kolonialismus aus.
Aktualisiert: 09.06.2023
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Bei der Veranstaltung hob der Generalsekretär Kulturstiftung der Länder, Markus Hilgert, hervor, es müssten eigene Formen des Erinnerns gefunden werden, ohne dabei die Schoah zu relativieren. Auch wenn es keine direkten Zeitzeugen mehr gebe, lebten in den Herkunftsregionen oft noch Gruppen, in deren Familien Traumata aus der Kolonialzeit über Generationen verwurzelt seien. Diesen Menschen müsse zugehört werden.
Die Kuratorin des Projekts „Dekoloniale“, Anna Yeboah, wies darauf hin, dass es sich bei den Objekten in den Museen oder Universitäten häufig um sterbliche Überreste von Menschen handle, „die zu tausenden in den Kellern herumgammeln“. Diese müssten ein ordentliches Begräbnis erhalten, falls sie nicht zurückgegeben werden könnten.
Ein Problem dabei liegt nach den Worten Hilgerts darin, dass die betroffenen Institutionen oft nichts Genaues über die Herkunft sagen könnten. Wenn die Herkunft solcher sterblichen Überreste ermittelt werden solle, müssten sie wieder zum Objekt der Forschung gemacht statt „rehumanisiert“ zu werden.
Die Direktorin des Stuttgarter Linden-Museums, Ines de Castro, erklärte, es gebe auch Gesellschaften, die ihre Kunstobjekte oder auch menschliche Überreste nicht zurück erhalten wollten. In anderen Fällen stelle sich die Frage nach dem richtigen heutigen Adressaten für eine Rückgabe. Zugleich warnte de Castro vor einer Diskussion wie nach der Rückgabe der berühmten Benin-Bronzen, in der sich koloniale Denkmuster und Rassismus gezeigt hätten.
Weiter sagte die Direktorin, es gehe darum, einen neuen Blick auf die vorhandenen Sammlungen zu richten und mit ihrer Hilfe Dialoge über den Kolonialismus zu führen. Yeboah hob hervor, es gehe nicht um eine akademische Erinnerungskultur, die der Mehrheitsgesellschaft einen Komfort bringe. Sie müsse vielmehr „Einfluss nehmen auf lebendige Menschen“, damit diese heute ohne Rassismus leben könnten.
KNA