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Weihbischof Lohmann zur 15. Weltnaturkonferenz in Montreal

„Ein verantwortlicher, wertschätzender Umgang mit der Natur ist ethisch dringend geboten!“

Bonn ‐ Klimawandel und Artensterben gehören zu den drängendsten Probleme unserer Zeit. Mit Blick auf die Weltnaturkonferenz im kanadischen Montréal fordert Umwelt-Bischof Lohmann mehr Wertschätzung für die Natur.

Erstellt: 12.12.2022
Aktualisiert: 12.12.2022
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Im kanadischen Montreal findet noch bis zum 19. Dezember 2022 die Weltnaturkonferenz statt, bei der Strategien zum Stopp des dramatischen Artensterbens ausgearbeitet und in einem Abkommen festgehalten werden sollen.  Weihbischof Rolf Lohmann (Münster) ist bei der Deutschen Bischofskonferenz zuständig für Umwelt-und Klimafragen. Der Zustand der Natur besorge ihn, schreibt er in einer Stellungnahme zur Weltnaturkonferenz. „Vielerorts verschmutzen wir Menschen durch unsere Lebens- und Wirtschaftsweise Luft und Wälder, Gewässer und Felder und gefährden und zerstören Lebensgrundlagen. Viele Pflanzen- und Tierarten verschwinden durch uns verschuldet von dieser Erde.“

Ganze Ökosysteme seien bedroht, so der Weihbischof. Die Weltgemeinschaft habe daher die Aufgabe, einen tiefen Wandel der Lebens- und Wirtschaftsweise ins Werk zu setzen, bevor es dafür zu spät sei. Die Natur besitze einen Eigenwert, menschliches Handeln müsse dem Rechnung tragen; Durch Koexistenz statt Zerstörung und durch Rücksichtnahme anstelle von Rücksichtslosigkeit.

„Dafür braucht es jetzt“, so Lohmann, „alle Kräfte und einen Schulterschluss von Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit Blick auf das Thema hat die Deutsche Bischofskonferenz im vergangenen Jahr mit dem Expertentext Vom Wert der Vielfalt grundlegende Überlegungen und ethische Leitlinien zum Schutz der Biodiversität vorgelegt. Neben dem Klimawandel seien die Verluste im Bereich der Biodiversität eine ebenso große Herausforderung für die Bewahrung der Schöpfung, so der Umwelt-Bischof. Beide Krisen zeigen, dass das Verhältnis des Menschen zur Natur neu bestimmt werden muss. Unsere Existenz braucht die Natur, die uns mit Wasser, Luft, Nahrung, Rohstoffen und mehr versorgt. Um die Dimension zu verdeutlichen, helfen Studien, die diese Ökosystemleistungen monetär ungefähr beziffern. Unser Glaube geht aber noch weiter: Wir begreifen Tiere und Pflanzen als unsere Mitgeschöpfe, die vor Gott einen Eigenwert und eine Aufgabe im Gefüge der Schöpfung haben. Wir Menschen sind beauftragt, für Gottes Schöpfung Sorge zu tragen.“ Ein verantwortlicher, wertschätzender Umgang mit der Natur sei daher ethisch dringend geboten.

Fleischkonsum verringern

Weiter fragt der münstersche Weihbischof, was es demnach in der aktuellen Situation brauche. „Nötig ist ein gesellschaftliches Bewusstsein für den Eigenwert der Natur in ihren komplexen Wirkungszusammenhängen. Politische und wirtschaftliche Strukturen sollten dem umfassend Rechnung tragen. Von der Weltnaturkonferenz erhoffe ich mir, dass sie in einem neuen globalen Rahmen für den Biodiversitätsschutz ehrgeizige Aktionsziele setzt. Hierzu gehört, bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent aller Flächen unter Schutz zu stellen, und diesen Schutz über qualitative Kriterien zu definieren. Auch weitere Flächen sind schonend zu behandeln und umweltschädliche Subventionen sind abzubauen. Entscheidend für Erfolg oder Misserfolg der Weltnaturkonferenz wird es sein, ob wirksame Mechanismen vereinbart werden, wie die Ziele umgesetzt werden. Dabei sind die Rechte lokaler und insbesondere indigener Bevölkerungsgruppen zu wahren. Und auch wenn über das Eigentum an genetischen Daten verhandelt wird, ist globale Gerechtigkeit die Maxime. Bei der Finanzierungsfrage müssen gerade die Industriestaaten Verantwortung übernehmen.“

Wie dies auf individueller Ebene geschehen könnte, beschreibt er am Beispiel der Folgen des Fleischkonsums für die Artenvielfalt. „Unsere Ernährung kann nachhaltige Produktions- und Konsummuster fördern. Ein wirkungsvoller Ansatz für den Schutz des Klimas und der Biodiversität ist es daher, den persönlichen Fleischkonsum zu verringern. Dabei geht es nicht um radikalen Verzicht, wohl aber um das rechte Maß. In viel zu großem Ausmaß werden die Agrarflächen zum Anbau von Tierfutter genutzt anstatt für die menschliche Ernährung. Angesichts der ökologischen Auswirkungen und des Hungers in der Welt ist das nicht akzeptabel. Als Christinnen und Christen können wir einen Schatz mit großem Potenzial neu heben: Es ist tief in der katholischen Tradition verwurzelt, als Teil des geistlichen Lebens in bestimmten Zeiten zu fasten oder sich am Freitag fleischlos zu ernähren. Vielerorts ist dies nicht nur in kirchlichen, sondern auch in privaten und öffentlichen Küchen bereits gelebte Praxis. Es lohnt sich, Praktiken der Suffizienz wieder neu zu entdecken, sich damit auch dem eigenen Eingebettetsein in das Gesamt der Schöpfung bewusst zu werden und eine Haltung von Demut und Ehrfurcht einzunehmen. Wir brauchen unbedingt mehr Wertschätzung für die Natur. Nur so verhindern wir, dass das Lebensnetz reißt.“

In seinem Schreiben beruft sich Weihbischof Lohman auf die diesjährige Botschaft von Papst Franziskus zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung. Darin forderte der heilige Vater mit Blick auf die Weltnaturkonferenz, den ‚weiteren Zusammenbruch des Netzes des Lebens‘ aufzuhalten.

weltkirche.de

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