Ottawa-Konvention ächtete vor 25 Jahren Antipersonenminen
Erfolge ja – aber große Herausforderungen bleiben

Ottawa-Konvention ächtete vor 25 Jahren Antipersonenminen

Ottawa ‐ Herstellung und Einsatz von Antipersonenminen sind seit 25 Jahren geächtet. Seitdem sind die heimtückischen Killer in den meisten Ländern von der Bildfläche verschwunden. Doch Altbestände wie auch neueste Entwicklungen bereiten Sorgen.

Erstellt: 03.12.2022
Aktualisiert: 30.11.2022
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Von Johannes Senk (KNA)

Sie liegen verborgen, oft vergessen – doch das macht sie nur gefährlicher. Ant-Personen-Minen gehören zu den heimtückischsten Waffen, die das moderne Kriegsarsenal auffahren kann. Ein unbedachter Schritt reicht, um sie zur Explosion zu bringen. Einmal ausgelegt, unterscheidet eine Mine dabei nicht mehr zwischen gegnerischem Soldaten, Zivilisten, Kind.

Ab den 1990er Jahren berichteten Hilfsorganisationen verstärkt über die große Anzahl ziviler Minenopfer. Auch unter dem wachsenden öffentlichen Druck bildete sich schließlich eine Gruppe österreichischer UN-Diplomaten heraus, die sich der Sache federführend annahm. Nach mehreren Verhandlungen lag am 3. Dezember 1997 im kanadischen Ottawa der fertige Entwurf zur Ächtung der perfiden Waffen vor.

Das Übereinkommen, häufig nur Ottawa-Konvention genannt, verbietet den Unterzeichnern den Einsatz, die Produktion, Lagerung und Weitergabe der Minen. Zudem schreibt die Konvention eine Vernichtung bestehender Lagerbestände innerhalb von vier Jahren sowie die Räumung minenverseuchter Gebiete binnen zehn Jahren vor. Ebenso wird eine finanzielle Unterstützung der Minenopfer auf der einen und der Staaten, die nicht die notwendigen Ressourcen für die Räumung aufbringen können auf der anderen Seite festgehalten.

Heute, 25 Jahre nach ihrem Inkrafttreten, ist die Konvention von 164 Staaten ratifiziert worden. Bislang nicht unterzeichnet haben mit Russland der China und den USA zwar drei der führenden Militärmächte der Welt. Das habe jedoch keinen direkten Einfluss auf die grundsätzliche Bedeutung des Vertrags, sagt die Leiterin der politischen Abteilung von Handicap International (HI) Deutschland, Eva Maria Fischer. Als Mitglied der Internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen war HI an der Ausgestaltung der Ottawa-Konvention beteiligt, wofür das Bündnis 1997 den Friedensnobelpreis zugesprochen kam. „Ob Unterzeichner oder nicht: Herstellung und Nutzung von Antipersonenminen gilt heutzutage als Tabubruch und wird von der Öffentlichkeit auch dementsprechend bewertet“, betont Fischer.

Chef von Caritas international: Minen vergiften den Frieden

Kriege enden nicht, bloß weil die Waffen schweigen. Darauf weist Caritas international anlässlich des 25. Jahrestages der Unterzeichnung der Antipersonenminen-Konvention von Ottawa hin. „Auch Jahre nach Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen werden immer noch Menschen durch im Boden schlummernde Minen getötet oder versehrt“, sagt Oliver Müller, der Leiter von Caritas international. „Minen verlängern den Krieg und vergiften den Frieden.“

Wie das konkret aussieht, beobachtet das Not- und Katastrophenhilfswerk des Deutschen Caritasverbandes seit Jahren in Kolumbien, wo fünf Jahre nach Unterzeichnung des Friedensabkommens im Jahr 2016 immer noch viele Menschen Minen und Sprengfallen zum Opfer fallen. Allein im Zeitraum von August 2018 bis Oktober 2022 wurden 1.938 Menschen Opfer von Minen. Von 1990 bis März 2017 registrierte die Aktion gegen Landminen (DAICMO) sogar 11.481 Minenopfer, wovon 7.028 den Streitkräften angehörten, 4.453 waren Zivilpersonen.

Caritas international kümmert sich seit Jahren mit dem Partner Caritas Kolumbien um die Minenopfer und um deren Angehörige. Wichtig ist hierbei eine rechtliche Beratung, die den Betroffenen hilft, Entschädigungsansprüche gegenüber dem Staat durchzusetzen. Eine weitere bedeutende Komponente ist die Aufklärung über die Gefahren der Sprengkörper. „Kolumbien ist in einer besonderen Situation: Auch nach dem Friedensschluss ist kein echter Frieden eingekehrt, immer noch werden Sprengfallen und Landminen durch Paramilitärs, Ex-Guerilleros und kriminelle Banden gelegt“, berichtet Oliver Müller. „Ein unerträglicher Zustand.“

Endgültig beendet, so viel ist klar, hat der Vertrag die Problematik mit den Antipersonenminen nicht. So ist er zum einen nur für offizielle Armeen verbindlich, „für paramilitärische Gruppen eben nicht“, erklärt Fischer. Und auch wenn die Zahl der neuen Minen auf Null sinken würde, wäre die Gefahr noch lange nicht gebannt: „Das größte Problem ist die langfristige Wirkung von Minen. Einmal abgelegt, können sie auch noch Jahre später hochgehen, wenn schon lange kein Konflikt vor Ort mehr besteht“, betont die Expertin.

Der jüngste Landminen-Monitor von HI verzeichnet etwa für 2021 weltweit 5.544 Minenopfer, davon 2.181 Tote. Drei Viertel der Opfer waren demnach Zivilisten, fast 1.700 Kinder. In 50 Staaten und anderen Gebieten wurden Menschen verletzt oder getötet. Syrien verzeichnete im dritten Jahr in Folge die meisten Opfer (1.227), gefolgt von Afghanistan (1.074). Weitere Staaten mit mehr als 100 registrierten Opfern waren Kolumbien, Irak, Mali, Nigeria und Jemen.

Daraus wird auch deutlich, dass trotz Hilfsverpflichtungen längst nicht Länder alle über die Möglichkeit verfügen, dem Räumungsversprechen auch nachzukommen. „Eine Mine trifft zwar in der Regel nur eine Person, kann aber ein ganzes Dorf lahm legen, weil Gebiete nicht mehr nutzbar sind. Eine einzelne Mine auf einem Feld verhindert praktisch, dass darauf noch gearbeitet werden kann – mit entsprechenden Folgen für die Menschen vor Ort, die auf die Ernte angewiesen sind“, mahnt Fischer.

Und – darauf weist HI ausdrücklich hin – auch Landminen in Deutschland restlos zu räumen, „ist fast unmöglich“; Minen im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet könnten schlicht zu tief vergraben und dadurch der Räumung entgangen sein.

Nicht zuletzt treten Antipersonenminen nun zum halbrunden Jubiläum der Konvention auch im Ukraine-Krieg wieder in den Vordergrund: Mehrere Hilfsorganisationen werfen der russischen Armee den gezielten Einsatz von Landminen vor, auch wenn man davon ausgegangen sei, „dass sich das Land auch ohne Unterzeichnung an die Abmachung halten würden“, sagt Fischer. „Das ist auf jeden Fall ein herber Rückschlag; über das Warum lässt sich jedoch nur munkeln.“

KNA