Schick: „Weltkirche braucht Langstreckenläufer“
Deutsche Bischofskonferenz ‐ Nicht nur beim morgendlichen Joggen braucht Erzbischof Dr. Ludwig Schick einen langen Atem. Zu seinem 70. Geburtstag am 22. September sprachen wir mit ihm über die aktuellen Herausforderungen in der Weltkirche, und er verriet uns auch, wie er seinen Geburtstag in Bamberg feiert.
Aktualisiert: 11.09.2019
Lesedauer:
Nicht nur beim morgendlichen Joggen braucht Erzbischof Dr. Ludwig Schick einen langen Atem. Auch in der weltkirchlichen Arbeit sind Langstreckenläufer statt Sprinter gefragt, weiß er nach 13 Jahren Vorsitz der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Zu seinem 70. Geburtstag am 22. September sprachen wir mit ihm über die aktuellen Herausforderungen in der Weltkirche, und er verriet uns auch, wie er seinen Geburtstag in Bamberg feiert.
Frage: Herr Erzbischof, Sie werden 70 Jahre alt. Wie blicken Sie auf diesen Geburtstag?
Schick: Eigentlich sehr gelassen. Ich denke, es wird sich nicht viel ändern. Ich fühle mich körperlich und geistig fit. Der 70. Geburtstag wird keinen Einschnitt bedeuten, sondern es wird weitergehen wie bisher.
Frage: Jeden Morgen, wenn die meisten noch schlafen, gehen Sie joggen. Dieses Jahr haben Sie das 24. Goldene Sportabzeichen erhalten. Hält Sie der Sport jung?
Schick: Naja, jung natürlich nicht, das Alter schreitet trotzdem voran. Aber er hält mich entsprechend meinem Lebensalter fit. Ich habe immer Sport gemacht in meinem Leben, aber die Sportarten dem Alter angepasst. Heute bin ich Jogger und Schwimmer, tue das, was mich geistig und körperlich fit hält. Früher habe ich Fußball und ziemlich intensiv Volleyball gespielt. Ich habe auch mehr Kampfsport gemacht. Das ist mit 70 nicht mehr angebracht. Ich tue das, was mir jetzt gut tut.
„Ich kann nur dankbar sein für mein Leben.“
Frage: Als Bischof führt man nun nicht das klassische Rentnerleben. Ändern Sie das allmählich oder machen Sie Ihre Aufgaben wie gehabt weiter?
Schick: Der Bischof reicht regulär mit 75 sein Rücktrittsgesuch beim Papst ein, wenn man nicht vorher schon gesundheitlich angeschlagen ist. Ich fühle mich gut; deshalb führe ich auch kein Rentnerleben. Sowohl die Aufgaben im Erzbistum als auch die, die ich von der Deutschen Bischofskonferenz habe, erfülle ich nach wie vor weiter.
Frage: Sie sind nun 13 Jahre Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Was waren für Sie Höhepunkte und schöne Begegnungen, auf die Sie besonders gerne zurückschauen?
Schick: Ich war viel unterwegs in der Weltkirche, aber auch in Deutschland. In Deutschland erinnere ich mich sehr gern an den Prozess vor rund zehn Jahren, bei dem die weltkirchliche Arbeit neu ausgerichtet wurde. Das hat viele Sitzungen und Konferenzen gebraucht, dabei haben wir aber die weltkirchlichen Aufgaben in Deutschland vorangebracht. Ich erinnere mich gerne an die vielen Gespräche, die ich mit den katholischen Hilfs- und Solidarwerken hatte und habe. Austausch ist wichtig, bei dem ich stets auch das Interesse der Mitglieder spüre. Wichtig war für mich auch die Einrichtung der Jahrestagung Weltkirche und Mission. Die läuft sehr gut und es gibt jedes Jahr in Würzburg viele gute Gespräche über wichtige Themen.
Natürlich erinnere ich mich auch an Begegnungen im Ausland. Ich durfte zum Beispiel als Sonderberufener des Papstes an der zweiten Afrika-Synode 2009 in Rom teilnehmen. Kürzlich war ich zudem beim 50. Jubiläum des „Symposium der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar“ (SECAM) in Uganda dabei. Ich könnte vieles aufzählen, was mir im Gedächtnis ist.
„Wir müssen unseren Blick für die globalen Zusammenhänge weiten.“
Frage: Auch in Ihrem Bistum haben Sie sich für weltkirchliche Themen stark gemacht.
Schick: Ja, ich habe zu meinem 60. Geburtstag, also vor zehn Jahren, die Stiftung „Brot für alle Menschen“ gegründet, um Landwirtschaft in Entwicklungsländern zu fördern und Gelder für Notlagen bereitzustellen. Darüber hinaus durfte ich 2007 die Bistumspartnerschaft mit Thiès im Senegal eröffnen. Das alles sind Ereignisse, die schön und wertvoll waren für die weltkirchliche Arbeit. Ich bin ein überzeugter weltkirchlich Engagierter und ich meine, wir könnten in Deutschland noch lebendiger und intensiver Kirche sein, wenn wir unser Engagement für die Weltkirche verstärken würden. Denn was wir geben, empfangen wir – und wir empfangen in der Weltkirche-Arbeit oft mehr als wir geben.
Frage: Wenn wir uns umschauen, scheinen die Krisen in der Welt nicht weniger zu werden: Waldbrände in Brasilien, Bürgerkriege und atomare Bedrohung. Muss die Kirche gerade in ihrem weltkirchlichen Engagement noch politischer werden?
Schick: Wir haben in Deutschland eine gute weltkirchliche Arbeit durch unsere Werke, Orden und Diözesen. Da ist ganz viel Potenzial vorhanden, und es ist viel bewirkt worden in all den Jahren. Da dürfen wir aber nicht nachlassen, auch wenn die Mitgliedszahlen der Kirche zurückgehen und manches sich strukturell verändert.
Wir müssen zudem verstärkt die ganze Welt in den Blick nehmen. Die große Wende vom Eurozentrismus zur Weltkirche wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleitet. Wir müssen unseren Blick weiten. Wir spüren immer mehr, dass die Probleme unserer Welt global sind – die globale Flüchtlingsproblematik rührt von der globalen Ungerechtigkeit her, vom globalen Klimawandel, den Konflikten und Kriegen, an denen wir auch immer direkt oder indirekt beteiligt sind, z. B. durch Waffenlieferungen. Ich denke, wenn wir diese Konflikte sehen und alles tun, dass sie bereinigt werden, dann können wir alle zusammen in Zukunft gut leben.
„Die Kirche muss mehr Koalitionen mit Politik, Wirtschaft und anderen NGOs bilden.“
Frage: Wie kann das konkret aussehen?
Schick: Für die Kirche ist es wichtig, noch mehr Koalitionen zu schaffen. Zum Beispiel auch mit der Politik. In Deutschland sind wir nicht schlecht aufgestellt, aber das muss intensiviert und auf europäischer und internationaler Ebene verstärkt werden. Wir können die Probleme nicht alleine lösen. Die Kirche ist ein wichtiger Faktor dabei, aber wir müssen mit Politik, mit Wirtschaft, mit anderen NGOs etc. zusammenarbeiten.
Natürlich gibt es im Augenblick Dinge, die uns wirklich beunruhigen müssen, zum Beispiel die Brände in Amazonien, eine erneute Zunahme des Hungers, der in den letzten Jahren eigentlich zurückgegangen war, Wasser, das knapper wird. Das bringt neue Konflikte mit sich. Die dadurch ausgelösten Fluchtbewegungen sind zudem auch Auswirkungen des Klimawandels. Das alles muss uns beunruhigen, aber nicht so, dass wir erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange. Es soll uns zum Handeln anregen. Es gibt Möglichkeiten, aber wir müssen sie erkennen und anpacken – und zwar jetzt.
Frage: Eine Strömung, die dem „weiten Blick“, wie Sie es nennen, entgegenwirkt, ist der Populismus, der sich in ganz Europa und der Welt ausbreitet. Wie kann sich die Kirche dazu verhalten?
Schick: Der Kampf gegen alle Populismen ist sehr wichtig. Er ist von Enge und Unwahrhaftigkeit verursacht. Populisten sehen nur ihr kleines Reich und wollen ihr Leben und ihre Schäfchen ins Trockene bringen. Das ist eine irrationale Enge. Wenn man ein wenig darüber nachdenkt, sieht man ein, dass das so gar nicht gehen kann in unserer Welt.
Populismus hat auch etwas mit Unwahrhaftigkeit zu tun. Populisten nehmen die Wahrheit über Gott, Mensch und Welt nicht wahr: dass es nur einen Gott gibt, dass alle Menschen gleich sind, die gleiche Würde und die gleichen Rechte haben und die ganze Schöpfung allen von Gott gegeben ist. Wenn man anfängt, nur sich, seine Nation oder Ethnie als die wichtigste und alleinige zu sehen, dann ist das falsch. Es geht an der Wahrheit vorbei zu denken, die Güter dieser Welt seien nur für uns da. Wer das in die Welt setzt, trägt zu Leid und Elend, Not und Ungerechtigkeit bei.
Frage: Was können wir dagegen tun?
Schick: Wir müssen mit aller Klarheit und Liebe die Wahrheit sagen über das, was Gott ist, der einzelne Mensch und die gesamte Menschheit sind, was die Schöpfung und die Güter der Natur sind. Wir müssen in Liebe versuchen, die Menschen von der Weite und der Wahrheit zu überzeugen. Da ist die Kirche auch durch ihre vielen Bildungseinrichtungen engagiert. Dennoch, wir alle können noch mehr dazu beitragen, dass Populismus, Enge und Unwahrheit überwunden werden. Das ist nicht einfach. Ich sage immer: Für alle unsere weltkirchlichen Aufgaben braucht es nicht Sprinter, sondern Langstreckenläufer.
„Populisten nehmen die Wahrheit über Gott, Mensch und Welt nicht wahr.“
Frage: Sie waren als einer der ersten deutschen Bischöfe auf Twitter aktiv. Ist das auch ein Weg, um im überhitzten medialen Diskurs neue Akzente zu setzen?
Schick: Auf diesen Kanälen werden viele Menschen erreicht, die durch unsere traditionellen Verkündigungsmöglichkeiten wie Predigt, Bücher, Zeitschriften so nicht mehr angesprochen werden können. Die neuen Medien sind wichtig und haben wie alles auf dieser Welt Vor- und Nachteile. Manche Tweets erregen überhitzte Diskurse. Damit muss man rechnen und gelassen mit diesen umgehen.
Frage: Herr Erzbischof, Sie sind gebürtiger Hesse, aber schon seit 17 Jahren in Bamberg. Würden Sie sagen, dass Sie in Bamberg und Bayern eine neue Heimat gefunden haben?
Schick: Ja. Ich bin hier zu Hause und das ist meine Heimat. Was ist Heimat? Heimat ist für mich da, wo ich mich wohlfühle und zwar deshalb, weil ich Menschen um mich habe, die ich schätze, mit denen ich gerne zusammen bin und zusammenarbeite, mit denen ich etwas gemeinsam anpacke, wo auch andere Wohlwollen und Fürsorge für einen zeigen. Wo man sich auch in der Stadt, Umgebung, Natur wohlfühlt. Das ist hier in Bamberg seit 17 Jahren so. Aber ich habe mich auch in Fulda wohlgefühlt und auch in meiner ersten Heimat Marburg/Mardorf, wo ich aufgewachsen bin. Ich kann nur dankbar sein für mein Leben.
Ich bin gerne zu Hause bei meinen Verwandten, Nichten, Neffen, Großnichten, Großneffen, habe in Fulda weiterhin viele Freunde, auch in Rom, wo ich vier Jahre gelebt habe. Und jetzt natürlich hier. Hier bin ich und hier will ich auch bleiben.
Frage: Wie werden Sie dann mit Ihrer Erzdiözese Ihren Geburtstag feiern?
Schick: Eigentlich gar nicht. Natürlich komme ich nicht ganz drum herum. Aber ich will keine Reden und auch kein Festbankett oder solche Dinge. Es wird um 17 Uhr im Dom ein geistliches Konzert mit Werken von Joseph Haydn und Felix Mendelssohn Bartholdy geben. Dazu sind alle Gläubigen herzlich eingeladen. Anschließend kann dann auch jeder, der möchte, mir im Domgang gratulieren, und ein Glas Wein trinken. Dann ist es gut. Ich kann auch deshalb nicht groß feiern, weil am nächsten Tag die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda beginnt, wo ich gefordert bin.
In der Woche nach meinem Geburtstag, am 28. September, zum zehnten Jubiläum meiner Stiftung „Brot für alle Menschen“, gibt es im Bistumshaus in Bamberg ein Symposium zum Thema Weltkirche, zu dem mehrere Gäste aus aller Welt geladen sind. Darauf freue ich mich natürlich.
Das Interview führte Claudia Zeisel.
© weltkirche.de