Portraitfoto von Weltkirche-Bischof Bertram Meier

„Die einen sehen im Synodalen Weg die Auferstehung Martin Luthers“: Interview mit Weltkirche-Bischof Meier (II)

Interview ‐ Der Synodale Weg in Deutschland wird auch im Ausland kontrovers diskutiert. Dr. Bertram Meier, Vorsitzender der Konferenz Weltkirche, plädiert im Interview dafür, „Dampf aus dem Kessel“ zu nehmen - und widerspricht der These, der synodale Prozess der Weltkirche solle den Synodalen Weg einbremsen. Zudem berichtet er, wie sich das Verhältnis zu den polnischen Bischöfen entwickelt. (Teil 2/3)

Erstellt: 11.01.2022
Aktualisiert: 11.01.2022
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Manche Medien sprachen gar von einer „Kirchenspaltung“: Der Synodale Weg in Deutschland wird auch im Ausland kontrovers diskutiert. Dr. Bertram Meier, Vorsitzender der Konferenz Weltkirche, plädiert im Interview dafür, „Dampf aus dem Kessel" zu nehmen - und widerspricht der These, der synodale Prozess der Weltkirche solle den Synodalen Weg in Deutschland bremsen. Zudem berichtet er, wie sich das Verhältnis zu den polnischen Bischöfen entwickelt. (Teil II)

Frage: Herr Bischof Dr. Meier, im Oktober ist ein weltweiter synodaler Prozess gestartet, der 2023 mit einer Bischofssynode in Rom enden soll. In Bistümern auf der ganzen Welt laufen deshalb zurzeit Gespräche über Gegenwart und Zukunft der Kirche. Was können wir davon erwarten?

Bischof Dr. Bertram Meier: Ich erhoffe mir, dass Synodalität immer mehr zum Lebensstil der Kirche wird. Da stellen sich Fragen, nicht nur in Deutschland: Wie gehen wir miteinander um? Hören wir auf Gottes Wort und aufeinander, bevor wir Weichen stellen und Entscheidungen treffen? Wie steht es um unsere Geduld? Üben wir eine Kultur der Partizipation? Mich überrascht manchmal die Tatsache, dass Leute, die synodal unterwegs sein wollen, ihren eigenen Lebens- und Glaubensweg eigenbrötlerisch gehen…

Frage: Hängen der synodale Weg in Deutschland und der synodale Prozess der Weltkirche zusammen?

Meier: Die manchmal geäußerte These, der Papst habe den synodalen Prozess der Weltkirche angestoßen, um unseren Synodalen Weg in Deutschland einzubremsen, teile ich nicht. Ich meine, dass der weltkirchlich eingeleitete synodale Prozess eine Chance ist, synodale geistliche Experimente in den verschiedenen Ländern und Diözesen wie bei uns in den Rahmen der universalen Kirche einzubetten und so ins größere Ganze zu stellen. Das kann der gegenseitigen Bereicherung und Selbstrelativierung dienen. Da wird es sicher manchen Überraschungseffekt von verschiedenen Seiten geben.

„Ich erhoffe mir, dass Synodalität immer mehr zum Lebensstil der Kirche wird.“

—  Zitat: Bischof Dr. Bertram Meier, Vorsitzender der Konferenz Weltkirche

Frage: Im Zusammenhang mit dem Synodalen Weg muss „Weltkirche“ immer wieder als Argument für oder gegen bestimmte Positionen herhalten. Gleichzeitig sprechen manche Medien in anderen Ländern gar von einer neuen Kirchenspaltung in Deutschland. Wie sehen Sie das? Wie gehen Sie damit um?

Meier: Bitte nichts dramatisieren! Natürlich gibt es Positionen, die drängen: die einen sehen im Synodalen Weg die Auferstehung Martin Luthers, die anderen wollen Reformen im Galopp durchboxen. Ich plädiere immer dafür, etwas Dampf aus dem Kessel zu nehmen und die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Auch Rom ist nicht in ein paar Jahren erbaut worden. Eines ist klar: In der Kirche kann und wird es nicht einfach so weitergehen. Es braucht eine geistliche Reform. Aber die lässt sich weder erzwingen noch mit der Brechstange durchdrücken. Da plädiere ich für „ekklesialen Realismus“. Oder mit Heinrich Böll gesprochen: Das Leben besteht darin, Konzessionen zu machen und Kompromisse zu schließen. Wir sollten uns im ehrlichen Dialog nichts schenken, aber wir dürfen uns auch nicht gegenseitig den Glauben absprechen. 

Bild: © Harald Oppitz/KNA

Frage: Wurden Sie im Ausland schon einmal darauf angesprochen?

Meier: Sowohl in Rom als auch mit Gesprächspartnern aus anderen Ländern ist das fast immer Thema. Aber da versuche ich zu besänftigen und die Wogen zu glätten. Erklären und immer wieder erklären: Darum geht es. Die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie oft in den Küchen der Medien gekocht wird … Der Synodale Weg verfolgt ja zwei Stoßrichtungen, die seriös und zu fördern sind: Reaktion auf den Missbrauchsskandal und Initiative zur Evangelisierung. 

Frage: Sie sind auch Teil der Kontaktgruppe der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz. Als kürzlich Bischof Dr. Georg Bätzing nach Polen reiste, war unübersehbar, dass man den synodalen Weg dort anders bewertet als hier. Wie ist Ihrer Ansicht nach aktuell das Verhältnis der Kirche in Deutschland zur Kirche in Polen?

Meier: Soweit ich das beurteilen kann: entspannt, wohlwollend, in einigen Themen durchaus kontrovers. Aber das macht nichts. In den Gesprächen steht übrigens nicht nur der Synodale Weg auf der Tagesordnung, sondern auch weitere Themen, die brennen: z.B. die Flüchtlingsfrage, neue Nationalismen, das Europäische Haus und anderes mehr.

„Meine Hoffnung ist, dass wir den langjährigen Leitfaden der Versöhnung zwischen Polen und Deutschland weiterspinnen hin auf Themen, die sich uns als Nachbarländer mit unterschiedlicher Geschichte heute und morgen stellen.“

—  Zitat: Bischof Dr. Bertram Meier, Vorsitzender der Kontaktgruppe der Polnischen und Deutschen Bischofskonferenz von dt. Seite

Frage: Wie soll sich dieses Verhältnis in Zukunft weiterentwickeln?

Meyer: Da ich als Pendant zum Bischof von Gleiwitz, der in der Kontaktgruppe die polnischen Bischöfe anführt, der deutsche Vorsitzende dieses Kreises bin, sind wir gerade dabei, uns auf unser erstes Treffen vorzubereiten, das hoffentlich im Frühjahr präsentisch in Polen stattfinden kann. Meine Hoffnung ist, dass wir den langjährigen Leitfaden der Versöhnung zwischen Polen und Deutschland weiterspinnen hin auf Themen, die sich uns als Nachbarländer mit unterschiedlicher Geschichte heute und morgen stellen.

Eine Frage, die sowohl in Polen als auch in Deutschland virulent ist, lautet: Welche Rolle wird bzw. will die katholische Kirche in den modernen Gesellschaften spielen? Was bedeutet uns Säkularität? Wie können wir uns im Blick auf den Schutz des menschlichen Lebens wirkungsvoll positionieren? Es geht hier nicht nur um doktrinelle Stellungnahmen, sondern auch um praktische Relevanz der kirchlichen Position. Der hl. Papst Johannes Paul II., in dessen Nähe ich sieben Jahre arbeiten durfte, ist mir hier Mahner und Inspirator.   

Die Fragen stellte Damian Raiser (weltkirche.de)

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